© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/23 / 22. September 2023

Meldungen

Europäischer Gründervater unter Spionageverdacht

BERLIN. Alexandre Kojève alias Alexander Koschewnikow (1902–1968) war ein russischer Emigrant und Philosoph, der wesentlich zur Wiederentdeckung Hegels in Frankreich beitrug und 1937 die französische Staatsbürgerschaft annahm. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er in der Direction de la Recherche et des Études Économiques des Pariser Finanzministeriums und avancierte dann 1948 zum Sekretär der Organisation for European Economic Co-operation (OEEC). In dieser Eigenschaft nahm Kojève erheblichen Einfluß auf den Prozeß der europäischen Einigung. Gleichzeitig vermutete die französische Spionageabwehr schon 1949, daß sich der Philosoph und nunmehrige Spitzenbeamte „anfällig für Aktivitäten des sowjetischen Geheimdienstes“ zeige. In der Online-Ausgabe des Philosophie Magazins vom 29. August 2023 wird nun der Frage nachgegangen, ob Kojève tatsächlich ein „Agent Stalins“ gewesen sei. Dabei kommt unter anderem jener höchst mysteriöse Text zur Sprache, den der frühere Kommunist am 8. Juni 1941 geschrieben und dann direkt an den Kremlchef gesandt hatte. Allerdings blieb dessen Inhalt unbekannt, weswegen auch die Möglichkeit besteht, daß Kojève einfach nur zur Wichtigtuerei tendierte. (ts)

 www.philomag.de





„Biologische Zeitkapseln“ aus Mesopotamien  

LONDON. Im Jahre 879 v. Chr. gab der neuassyrische König Aššur-nâsir-apli II. den Befehl zur Errichtung eines Palastes in seiner Residenzstadt Kalchu, dem nunmehrigen Nimrud, das dreißig Kilometer südlich von Mossul im heutigen Irak liegt. Bei der Untersuchung eines luftgetrockneten Lehmziegels aus diesem Bauwerk, der 1949 geborgen wurde und später ins Dänische Nationalmuseum gelangte, fanden Wissenschaftler der Universitäten von Oxford und Aalborg unter Troels Pank Arbøll and Sophie Lund Rasmussen Reste organischen Materials im Inneren des Artefakts, aus denen sie DNA-Proben gewannen. Dadurch konnten die Forscher genetische Spuren von insgesamt 34 verschiedenen Wild- und Kulturpflanzengruppen beziehungsweise -arten identifizieren, darunter Kohl, Heidekraut, Birke, Lorbeer, Weizen, Gerste, Roggen, Karotten und verschiedene Gräser (Nature Scientific Reports 9/23). Aufgrund dessen ist es nun möglich, den Artenverlust im Nordirak in den letzten 2.900 Jahren genauer zu quantifizieren. Darüber hinaus eignet sich das neuentwickelte Verfahren auch für die Untersuchung ähnlicher Ziegelreste, welche allesamt „biologische Zeitkapseln“ darstellen. (ts)

 www.nature.com





Erste Sätze

Wie mittlerweile das gesamte Dritte Reich in allen seinen Aspekten stehen heute auch die Architektur und die künstlerischen Hervorbringungen dieser Zeit unter einer Art Generalverdacht, die eine Ausein-andersetzung, die weithin ohne Distanzierungsformeln auskommen möchte, sehr erschwert.

Marcello La Speranza: Brisante Architektur. Hinterlassenschaften der NS-Zeit: Partei-bauten, Bunker, Weihestätten, Graz 2016





Historisches Kalenderblatt

27. September 1993: Beim Massaker von Sochumi fallen über 7.000 georgische Zivilisten inklusive Kindern abchasischen Freischärlern, Kosaken und russischen Söldnern zum Opfer. Der Plünderung der Häuser folgten massenhafte Vergewaltigungen, Folter und Mord.