Um sich von „geschichtsphilosophisch ungebildeten Politikwissenschaftlern“ im Mediendiskurs über den Ukraine-Konflikt abzugrenzen, stellt der Althistoriker Egon Flaig den Konflikt mit drei unorthodoxen Überlegungen in den weiten Horizont jüngerer Zeitgeschichte. Erstens sei dieser Krieg unbegreiflich ohne den Angriffskrieg der Nato im Kosovo, den der grüne Außenminister Joschka Fischer damit rechtfertigte, „Menschenrechte“ stünden über dem Prinzip der Staatensouveränität. Was die Nato sich damals erlaubte, soll Rußland nun hinsichtlich der Krim und der Ostukraine verboten sein. „Die bösen Geister, mit denen wir es jetzt zu tun haben, hat die Nato gerufen“ (Tumult, 3/2023). Daher finde zweitens aktuell keine „Zeitenwende“ statt, denn die für die Gegenwart entscheidenden Wendepunkte lagen in den 1990ern: außer „Kosovo“ der Untergang des Sowjetimperiums sowie die Kairoer (1990) und die Bangkoker (1993) Erklärung der Menschenrechte. Mit ihnen habe der Krieg für die westliche Kultur die Plattform internationaler Verträge erreicht. Das sei mit dem „Irrsinn“ der „Nation Building“-Mission in Afghanistan offenkundig geworden. Zudem zeige die offizielle deutsche Begründung, Waffenlieferungen an die Ukraine würden „Leben retten“, die Misere des politischen Denkens einer „Deutschen Lebensrettungsgesellschaft“.