Die Husum Wind ist eine internationale Leitmesse und wartete vorige Woche mit einer ungewöhnlichen Neuheit auf: Siemens Energy war zwar mit einem großen Stand der Tochterfirma Gamesa vertreten, aber im Gegensatz zur Konkurrenz nicht wirklich an Verkäufen interessiert. Der Windanlagenhersteller braucht seine gesamten Kapazitäten, um die massiven Qualitätsprobleme bei Onshore-Turbinen zu beheben. Siemens Gamesa Renewable Energy, 2017 aus der Fusion von Siemens Wind Power und der baskisch-spanischen Firma Gamesa entstanden, schrieb allein im zweiten Quartal drei Milliarden Euro Verlust und bescherte den Aktionären einen Kurssturz.
Im Zuge der Qualitätsverbesserungen müssen mehr als hundert bereits für Kunden gebaute und mehr als 700 auf Halde liegende Anlagen auf eigene Rechnung überarbeit werden. Die mit viel Aufwand in den Markt gedrückte Onshore-Turbine 5.X sollte eigentlich den schlechten Ruf von Gamesa bezüglich Qualität und Haltbarkeit korrigieren. Während andere Wettbewerber auf der Husum Wind begeistert Marktanteile von Siemens Gamesa übernahmen, droht Christian Bruch, Chef der Muttergesellschaft Siemens Energy, im November nach dem Aktionärstag die Abberufung, wenn er nach kleineren Sanierungserfolgen anderer Bereiche keine erfolgversprechende Strategie präsentieren kann. Analysten warten gespannt auf den Ansatz, Siemens Gamesa als Verlustbringer in einem auch für alle Wettbewerber verlustträchtigen Marktumfeld endlich als Mühlstein um den Hals der bereits angeschlagenen Siemens Energy ohne Verkauf zu entfernen.
Mit Verkaufsplänen für die Problemtochter wird vorerst nicht gerechnet, denn zum einen ist Siemens Energy als „wokes“ Gesamtunternehmen so aufgebaut, daß es bis auf Atomtechnik alle Arten der Energieproduktion wie des Vertriebs abdeckt. Der Notverkauf eines „grünen“ Bausteins wie der Windenergie würde einen riesigen Kapital-, Umsatz- und Ansehensverlust bedeuten. Der frühere RWE- und Linde-Manager Bruch wurde auch deshalb an die Spitze von Siemens Energy berufen, weil er konzernintern als harter Sanierer und Prozeßoptimierer gilt. Die nächsten Monate werden zeigen, inwieweit sich dieser Ruf gegen die Tradition der vertuschten Fehler insbesondere im iberischen Teil des Konzerns verteidigen lassen wird.