Ursula von der Leyen ist so spannend wie ein Abziehbild. Sie war die Lieblingstochter ihres Vaters Ernst Albrecht, CDU-Ministerpräsident in Hannover von 1976 bis 1990 und zuvor Kabinettschef des ersten Wettbewerbskommissars Hans von der Groeben. Der erfand die Anti-Kartellpolitik und Beihilfe-Disziplin der EWG mit – die sie als EU-Kommissionspräsidentin nunmehr souverän ignoriert. Nach Jahren ziellosen Herumstudierens brach sie ihre Facharztausbildung ab und ging als mehrfache Mutter in die CDU-Politik. Hier absolvierte sie unter Angela Merkel eine steile Ministerkarriere.
Aber wie immer, wenn Frauen sich in Führungsfunktionen überfordert fühlen, zog sie mißtrauisch und kontrollsüchtig Parallelstrukturen auf, ab 2013 im Verteidigungsministerium und dann ab 2019 in der EU-Kommission. Martin Scholz (SPD) befand damals, die schlechteste Ministerin Deutschlands sei nun Kommissionspräsidentin geworden. Ihre Masche ist durchsichtig: Fototermine als blau-gelb kostümierte Kriegsgöttin mit Wolodymyr Selenskyj in Kiew oder mit Joe Biden im Weißen Haus. „Carte postale“ nennen dies die Franzosen. Einen Horror hat sie vor ernsthaften Presseinterviews, die sie intellektuell herausfordern könnten. So bestellte sie auf dem Höhepunkt der Corona-Hysterie laut New York Times bei Pfizer-Chef Albert Bourla locker 1,8 Milliarden Impfdosen für die Kleinigkeit von 35 Milliarden Euro, die nunmehr alle verrotten. EU-Ausschreibungsbestimmungen? Null Interesse. Das hätte jedem anderen das politische und rechtliche Genick gebrochen.
Und sie kommt damit locker durch. Warum? Weil es in Brüssel nach dem Abgang der Briten keinen investigativen Journalismus mehr gibt, sondern nur noch eine eurokratische Jubelpresse. Ihre jährliche Rede „Zur Lage der Union“ war vorhersehbar und ergötzte sich im Eigenlob: Billionenschulden für den Corona-Fonds NextGenerationEU und ihren „Green Deal“ zur Entindustrialisierung und Massenverarmung Europas – darauf ist sie besonders stolz. Gegen billigere chinesische Elektroautos, die derzeit den europäischen Markt erobern, drohte sie eine „Antisubventionsuntersuchung“ und damit nachfolgend Strafzölle an – mit der Begründung: „Wir müssen uns gegen unfaire Praktiken wehren.“ Umgehend brachte die KP-Regierung in Peking Gegensanktionen ins Spiel – und die würden vor allem die deutsche Autoindustrie treffen. Das heißt in der Sprache von der Leyens wohl „De-Risking“. Doch ohne die EU-Hatz auf Benziner und Diesel sowie teure „Umweltprämien“ würde kaum jemand Autos von BYD, Nio, Xpeng & Co. kaufen.
Ansonsten las sie die Stichwortliste ihrer Megaregulierung ab: Die Fixierung der Tetrapak-Plastikdeckel oder das Verbot nicht-recycelbarer Bananen-Aufkleber sind harmlos – der Digital Services Act gegen „Haß und Hetze“ ist es nicht. Nichts ist vor dieser Dame sicher, aber eines ist klar: Sie will keinen Wahlkampf führen. Denn trotz Europawahl wurde sie im Juli 2019 von zwei Personen auserwählt: Angela Merkel schlug sie vor, und Emmanuel Macron stimmte zu. Die anderen EU-Regierungschefs und das Europaparlament akklamierten brav. Ist das Demokratie? David McAllister wird wieder Spitzenkandidat der niedersächsischen CDU für die Europawahlen im Juni 2024. Von Ursula von Leyen keine Spur. Klarerweise hofft sie auf eine schwerelose Wiederbestellung.