© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/23 / 22. September 2023

Buddeln der Woche
Mal den Mund halten
Christian Vollradt

Wer im Loch sitzt, sollte aufhören zu buddeln. So lautet, frei übersetzt, ein dem 1935 verstorbenen amerikanischen Cowboy und Komiker Will Rogers zugeschriebener Aphorismus. Ob Nancy Faeser ihn kennt, ist ungewiß. Offenkundig ist, daß sie der Empfehlung nicht folgt. Denn sonst hätte es sich die Spitzenkandidatin der SPD bei der Landtagswahl in Hessen gespart, so kurz vor dem Urnengang noch einen echten Klopfer öffentlich herauszuposaunen: Ihre Partei plane ein Gesetz, wonach Ausländer schon „nach sechs Monaten legalem Aufenthalt das kommunale Wahlrecht bekommen sollen. Deutschlands Städte und Gemeinden ächzen unter einem Migrationsdruck, der an die Krisenjahre 2015 und 2016 – die sich ja angeblich niiiieeee mehr wiederholen sollen – erinnert. Und dann kommt solch ein Vorschlag ausgerechnet von der Politikerin, zu deren vordringlichsten Aufgaben als Bundesinnenministerin es eigentlich gehört, zuvörderst endlich die irreguläre Einwanderung zu stoppen. Dienstag nachmittag dann das Dementi: Es seien sechs Jahre, nicht Monate gemeint. So oder so, die Partei muß neue Wählerschichten erschließen, weil sie bei denen, die schon länger wählen dürfen, nicht mehr so gut ankommt. 18 Prozent in Hessen. Im Nacken der Atem der AfD (17 hessische Prozent), die nun weiteren Auftrieb bekommen dürfte. Dabei saß Faeser ja schon vorher tief im Loch. Im Wissen darum, hält sie sich den Verbleib im Berliner Amt offen, allerdings droht dort mit der Affäre um den herausgeekelten Behörden-Chef Arne Schönbohm weiteres Ungemach. Bezeichnend: Sogar einen Wahlkampftermin zur Frühschicht am Werkstor von VW in Kassel, klassisches Sozi-Heimspiel, mußte sie absagen. Grund: keiner da – wegen Kurzarbeit. Unsere Empfehlung daher: „Verpassen Sie nie eine gute Gelegenheit, den Mund zu halten.“ Das stammt auch von Will Rogers.