© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/23 / 22. September 2023

Meldungen

Düsseldorfs Innenminister will Strafrecht verschärfen 

Düsseldorf. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) will schärfer gegen Beamte vorgehen, die sich in Chatgruppen extremistisch geäußert haben. Medienberichten zufolge hat er eine Initiative im Bundesrat gestartet, mit der ein neuer Paragraph ins Strafgesetzbuch eingeführt werden soll. Danach sollen künftig extremistische Äußerungen auch in privaten beziehungsweise geschlossenen Chatgruppen als Straftat im Amt gelten. Dies ist nach derzeitiger Rechtslage und gemäß bisheriger Urteile in den meisten Fällen nicht der Fall. Der Tatbestand der Volksverhetzung setzt voraus, daß eine entsprechende Äußerung öffentlich getätigt worden ist. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte im Frühjahr schon einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Beamtenrecht verschärft. Demnach soll künftig der Dienstherr die Betroffenen bereits mittels Disziplinarverfügung aus dem Beamtenverhältnis entfernen können und nicht mehr wie derzeit durch eine Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht. (vo)





„Nicht Ge­impft“-Stern ist keine Volksverhetzung 

BRAUNSCHWEIG. Nicht jede Äußerung, die unangebracht und moralisch anstößig ist, stellt ein strafbares Verhalten dar. Zu dieser Schlußfolgerung ist das Braunschweiger Oberlandesgericht vergangene Woche in seinem Urteil über den Fall eines Mannes gekommen, der auf seinem Facebook-Profil einen gelbfarbenen sechseckigen Stern mit der Aufschrift „Nicht geimpft“ veröffentlicht hatte. Der Angeklagte wollte damit Ende 2020 auf die ihm auferlegten Einschränkungen infolge der Regelungen in der Corona-Pandemie aufmerksam machen. In einem daraufhin eingeleiteten Strafverfahren hatte ihn das zuständige Amtsgericht vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen, da es die gesetzlichen Voraussetzungen des Straftatbestandes als nicht erfüllt ansah. Zwar habe der Angeklagte die von den Nationalsozialisten mit dem sogenannten „Judenstern“ bezweckte Ausgrenzung verharmlost. Der Straftatbestand erfasse jedoch ausdrücklich nur Völkermordhandlungen. Gegen diese Entscheidung hat die der Staatsanwaltschaft Göttingen zugeordnete niedersächsische Zentralstelle zur Bekämpfung von Haßkriminalität im Internet Revision eingelegt. Gemäß der heutigen Erinnerungskultur sei „die Stigmatisierung der jüdischen Bevölkerung von ihrer Entrechtung und Verfolgung mit dem Ziel der Vernichtung nicht zu trennen“, so die Begründung. Daher sei die Pflicht, den „Judenstern“ zu tragen, als Teil des Völkermordes anzusehen. Dieser Argumentation hat sich das Oberlandesgericht nicht angeschlossen und daher die Revision verworfen. Der Angeklagte habe sehr wohl die Beschränkungen in der Corona-Pandemie mit dem unermeßlichen Leid der jüdischen Bevölkerung unter dem Nationalsozialismus gleichgesetzt und dieses dadurch verharmlost. Der Gesetzgeber habe in Paragraph 130 des Strafgesetzbuchs nicht jedwede Verharmlosung des nationalsozialistischen Unrechts unter Strafe gestellt, betonte der Braunschweiger Strafsenat. Das Gesetz verlange ausdrücklich, daß sich die Verharmlosung auf eine konkrete Völkermordhandlung beziehe. Die „mit dem Stern bezweckte Ausgrenzung als Vorbereitungshandlung“ könne nicht mit einer in dem Gesetz bezeichneten Völkermordhandlung gleichgesetzt werden. Zudem, urteilten die Richter, sei das vom Angeklagten veröffentlichte Bild nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören und habe nicht zum Ziel gehabt, Dritte zu Gewalttaten oder Rechtsbrüchen anzustacheln. (vo)