© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/23 / 22. September 2023

Ländersache: Schleswig-Holstein
Wieviel Meer schützen?
Paul Leonhard

Die Ostsee soll besser geschützt werden. Darüber ist man sich in der schwarz-grünen Kieler Landesregierung einig. Doch über das Wie ist nun ein Streit entbrannt. Denn während die Grünen an den im Koalitionsvertrag festgeschriebenen ergebnisoffenen „Konsultationsprozeß“ mit Bürgern und Verbänden bis Ende 2024 festhalten, wollen die Christdemokraten jetzt Nägel mit Köpfen machen: Bereits am 5. Oktober soll ein Landesparteitag das Aus für den geplanten Nationalpark Ostsee beschließen. Zuvor ist er Thema einer Landtagssitzung.

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), bisher ein Befürworter des grünen Projekts, hat unter dem massiven Druck der Fischerei-, Tourismus- und Wassersportverbände eine Kehrtwende vollzogen. Offenbar gibt es an Schleswig-Holsteins Ostseeküste keine Mehrheit dafür. Die Ostseeanrainer befürchten, daß die Grünen einen Nationalpark „Stück für Stück“ erweitern würden, sobald der erst einmal geschaffen worden sei. „Ein Nationalpark würde die Übertragung der Entscheidungskompetenzen zu Sperrflächen und Nullnutzungszonen an eine Bundesbehörde übertragen“ sowie erhebliche Einschränkungen für die Bewohner vor Ort bedeuten, warnen die Gegner unter dem Motto „Mehr Schutz für die Ostsee – Ja! Nationalpark Ostsee? – Nein!“

Die CDU vor Ort fing diese Stimmung auf. Insbesondere die Kreisvorsitzenden aus Ostholstein, Schleswig-Flensburg und Rendsburg-Eckernförde – mithin also die von den Auswirkungen eines Nationalparks Betroffenen – formulierten einen Parteitagsantrag und fanden bei der Landes-CDU Gehör. Zum Sinneswandel Günthers dürfte ein Besuch auf Fehmarn beigetragen haben, wo Hunderte die Anwesenheit des Landesvaters nutzten, um gegen die Nationalpark-Pläne zu protestieren. Von den bis zu 800 Demonstranten wurden konkrete Maßnahmen zum Schutz der Ostsee gefordert, darunter die Bergung von Weltkriegsmunition.

Exakt diese Punkte finden sich jetzt im Beschlußpapier wieder, mit dem der CDU-Landesparteitag die grüne Idee beerdigen will. Ein freiwilliges Aktionsbündnis und die Räumung der Munitionsaltlasten seien als Instrumente „geeigneter“, um mehr Ostseeschutz zu erreichen als ein Nationalpark, sagte CDU-Generalsekretär Lukas Kilian. Und die Umweltorganisationen BUND und Nabu machen darauf aufmerksam, daß „nicht einmal bestehende Schutzgebiete Schutz bieten und Maßnahmen der ohnehin unzureichenden Maßnahmepläne nicht umgesetzt“ würden. Man werde sich nicht „mit dem Fake eines Nationalparks zufriedengeben“, so Dagmar Struß vom Nabu Schleswig-Holstein. Damit ist anscheinend allein für die Grünen um Umweltminister Tobias Goldschmidt „klar, daß ein Nationalpark das beste Instrument für den Schutz unserer Ostsee ist“.

Die Landesopposition wittert einen antagonistischen Widerspruch: „Die Grünen wollten den Nationalpark um jeden Preis, die CDU für keinen Preis der Welt“, faßt Lars Harms vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) die Krise zusammen: „Ergebnisoffen ist allein, wer sich am Ende durchsetzt.“