© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/23 / 15. September 2023

Der Flaneur
Multikulti in der Palz
Elke Lau

Einmal im Jahr steht Verwandtenbesuch auf dem Programm, also Friedhof in Bad Dürkheim. Während wir uns vergeblich abmühen, den bemoosten Grabstein mit chemischen Mitteln zu reinigen, wird plötzlich hinter einer Hecke ein Laubsauger angeschaltet. 

Der Lärm bewegt sich in unsere Richtung und erreicht neben uns seinen Höhepunkt. Einen Moment schaut der Gartenarbeiter interessiert zu, dann stoppt er den Lärmludwig und bietet uns seine Hilfe an. Dankbar überlassen wir ihm das Feld. Da er keinen „Pälzer“ Dialekt spricht, fragen wir nach dem Ort seiner Herkunft: Rumänien.

Er freut sich über das Interesse und verspricht, sich um den Stein zu kümmern. Unseren Obolus lehnt er entrüstet ab und schaut verblüfft aus der Wäsche, als Begleiter Uli ihm blitzschnell einen Schein in die Hosentasche stopft.

Wir kommen mit einem seriös gekleideten Mann, der auf seine chinesische Gruppe wartet, ins Gespräch.

Mittagszeit. Da die meisten Plätze im größten Faß der Welt reserviert sind, führt uns der Kellner zu einem Katzentisch. Als wir das Etablissement nach einer guten Stunde verlassen, ist der Tempel rappelvoll. Vor dem Eingang steht ein junger, seriös gekleideter Mann und schaut ungeduldig auf seine Gäste. 

Die chinesische Gruppe ist nämlich lautstark mit sich und ihren Smartphones beschäftigt. So ist er froh, mit uns über Erfahrungen beim Erkunden fremder Länder lustige Sprüche auszutauschen. Das weltbekannte Vorurteil „Chinesen essen alles, was vier Beine hat – außer Tische und Stühle – und alles, was fliegt – außer Flugzeuge“ kennt er auch. Na, trifft eigentlich nur auf Kanton-Chinesen zu.

Am nächsten Morgen verlassen wir das Hotel zu früher Stunde. In der Nacht hatte es Rotzblasen und Dreierschnecken geregnet, und die aufgefundene Lederbörse, die in einer Pfütze schlummert, ist klatschnaß. Inhalt: zwei Kreditkarten, ausgestellt auf ein französisches Unternehmen. 

Da wir neben einem Fahrzeug mit französischem Kennzeichen parken, erkundigen wir uns an der Rezeption, ob der Fund einem Gast zugeordnet werden kann. Nein. Man verspricht, sich zu kümmern. Wir klemmen eine Nachricht hinter den Scheibenwischer. Au revoir.