© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/23 / 15. September 2023

Kabinenklatsch
Aus anderem Holz geschnitzt
Ronald Berthold

Endlich mal wieder Grund zur Freude. Nachdem unsere Leichtathleten und erst recht unsere Fußballer nur noch als Kanonenfutter taugen, ist der Triumph der Basketballer Balsam auf unsere Seelen. Ich glaube, jeder, der ernsthaft darauf getippt hat, daß Deutschland Weltmeister wird, den hätte ich vor dem Turnier für verrückt erklärt. Dafür dürfte er jetzt ziemlich reich sein. Die unverhofften Triumphe sind immer die schönsten. Mal ehrlich, liebe Bayern-Fans, könnt Ihr Euch noch aus ganzem Herzen über den gefühlt 87. Meistertitel in Serie freuen? Eben. Auch wegen der Überraschung, ach was sage ich; wegen der Sensation machen uns die langen Kerls viel Freude. Und dann fällt der Sieg in eine Zeit, in der Deutschland sportlich, wirtschaftlich und politisch über den Abgrund hinaus ist, sich im freien Fall befindet und nur noch auf den Aufprall wartet.

Die Basketballer sind eine grandiose Ausnahme. Doch warum? Woher kommt dieser unbedingte Wille? Als ich mir die zwölf Helden mal näher angeschaut habe, fiel mir auf, daß nur drei von ihnen bei einem deutschen Verein, nämlich bei Bayern München, spielen. Die Leistungsträger gehen in Nordamerika auf Korbjagd. Dort gilt Leistung noch etwas. Dort muß man sich nicht schämen, besser sein zu wollen als die anderen. Wer einmal in den USA war, sieht täglich auf Sportplätzen die Schüler um die Wette laufen. Niemand wird ermahnt, weil er den Dicken überrundet hat. Bei uns dagegen bekommt auch noch der Allerletzte einen fetten Pokal. Denn es darf keine Verlierer geben. Aber nur wer verliert, hat den Ansporn, es beim nächsten Mal besser zu machen. Aus diesem Holz sind unsere Basketballer geschnitzt.