© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/23 / 15. September 2023

Frisch gepreßt

Reinhart Koselleck. Es fällt nicht schwer, die drei Gelehrten zu nennen, die unter den bundesdeutschen Historikern ihr Metier auf theoretisch höchstem Niveau reflektieren konnten: Ernst Nolte, Reinhart Koselleck und Thomas Nipperdey. Im Unterschied zum „Flakhelfer“ Nipperdey (Jahrgang 1927) und dem vom Kriegsdienst verschonten Nolte hatte dessen Jahrgangsgenosse Koselleck, 1923 in Görlitz geboren, Fronterfahrung. Als Artillerist rückte er im Sommer 1942 auf Stalingrad vor, wo er nicht ankam, weil ein Geschützrad seiner Batterie ihm die Fußknochen zerquetschte. Der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entging er trotzdem nicht, weil der Obergefreite sich bei Mährisch-Ostrau 1945 Rotarmisten ergeben mußte, um in einer kasachischen Gulag-Dependance bei Karaganda zu landen. Vor Stalingrad bewahrt, überlebte er dort knapp dank eines Lagerarztes, der einmal Assistent seines Großvaters, des Pathologen Felix Marchand, gewesen war. Als der ausgemergelte Häftling im März 1945 heimkehrte, erkannte selbst sein Vater ihn nicht. Wie dicht diese bewegte Biographie mit dem Werk des Geschichtstheoretikers verwoben ist, ist bisher noch nie so quellennah, präzise und fesselnd dargestellt worden wie in der Monographie von Stefan-Ludwig Hoffmann, der damit zugleich einen wichtigen Beitrag zur Geistesgeschichte der Bonner Republik leistet. (dg)

Stefan-Ludwig Hoffmann: Der Riß in der Zeit. Kosellecks ungeschriebene Historik. Suhrkamp Verlag, Berlin 2023, gebunden, 392 Seiten, Abbildungen, 24 Euro 





Soros. Alleine die Erwähnung seines Namens kann Debatten entgleisen lassen und denjenigen, der ihn ausspricht, ins soziale Abseits katapultieren: George Soros. JF-Autor Collin McMahon hat sich in seinem im Mai 2023 erschienenen Buch „George Soros’ Krieg – Wie die Open Society Foundations die Welt an den Rand des Dritten Weltkriegs gebracht haben“ des Themas angenommen. Schon im Vorwort stellt der Autor klar: „Wer hier antisemitische Verschwörungstheorien sucht, wird enttäuscht werden.“ Soros’ Finanzierung von selbsternannten Faktencheckern, sein Geklüngel mit der Muslimbruderschaft und seine Versuche, US-Wahlkämpfe zugunsten der Demokraten zu beeinflussen – all das schildert McMahon unaufgeregt, präzise, stets mit Quellenverweis. Mehr als 100 Millionen spendete Soros zwischen 2000 und 2014 an Medien, überall in der westlichen Welt. Davon profitierten unter anderem der Tagesspiegel, das Handelsblatt, die französische Le Monde und das Aspen Institute aus den USA. Wer gern tief eintaucht in das undurchsichtige Dickicht aus Stiftungen, Think Thanks und Medienunternehmen wird an dem Buch große Freude haben. (st)

Collin McMahon: George Soros’ Krieg.Kopp Verlag, Rottenburg 2023, gebunden, 368 Seiten, 24,99 Euro