© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/23 / 15. September 2023

Aus der Welt der Feen, Elfen, Hexen und Teufel
Musik: Der Opern- und Liedsänger Konstantin Krimmel widmet sich der Alt-Wiener Zauberoper zu Zeiten Mozarts
Jens Knorr

Wer „Die Zauberflöte“ gut verstehen will, der muß von der Maschinen-Komödie „Stein der Weisen, oder: Die Zauberinsel“ wissen, eine erst 1996 wiederentdeckte Kollektivarbeit der Herren Johann Baptist Henneberg, Benedikt Schack, Franz Xaver Gerl und eines gewissen Wolfgang Amadeus Mozart aus dem Jahre 1790. Die waren allesamt mit dem Theaterdirektor Emanuel Schikaneder und dessen Theater auf der Wieden verbandelt und dann auch als Dirigent, Sänger, Librettist und Komponist bei der im darauffolgenden Jahr uraufgeführten „Zauberflöte“ zugange.

Für die Libretti zu beiden Opern hat Schikan-eder Motive aus Christoph Martin Wielands Märchensammlung „Dschinnistan“ verwertet, die von 1786 bis 1789 in drei Bänden erschienen war. Als gewiefter Unternehmer hat er gewußt, womit er zahlendes Publikum ins Theater ziehen konnte: mit Kasperl- und Zauberopern. Dieses Genre des Alt-Wiener Volkstheaters etablierte sich in der zweiten Hälfte des 18, Jahrhunderts. Seine musikalischen Modelle nahm es von der Opéra comique, seine szenischen Attraktionen vom barocken Hoftheater, seine Figuren aus Mythologie, Sagen und Märchen und aus dem Volkstheater, also von überall her.

Bereits 1789 hat Schikaneder in seinem Theater Paul Wranitzkys Singspiel „Oberon, König der Elfen“ herausgebracht, das ebenfalls auf einer Vorlage Wielands basiert und bei dessen Uraufführung vermutlich Mozart auch zugegen gewesen war. Den Erfolg der „Zauberflöte“ konnte Schikaneder 1798 mit der Fortsetzungsoper „Der Zauberflöte zweyther Teil“ nicht wiederholen: die Musik von Peter von Winter zu Schikaneders verworrenem Libretto hat nicht gezogen.

Die Arien des Albums eint, was ihnen fehlt: der theatrale Kontext

Aus diesen gut gemachten Machwerken haben der deutsch-rumänische Bariton Konstantin Krimmel und die Hofkapelle München unter Rüdiger Lotter einige gut gemachte Arien zusammengebracht und durch Arien und Ouvertüren aus anderen Opera der schnellebigen und später nicht mehr gebrauchten Gattung Zauberoper ergänzt: Während Joseph Haydns, des freundlichen Experimentators im Dienste Esterházys, Dramma eroicomico „Orlando Paladino“ in Schikaneders Institut zur Aufführung kam, hatte man sich für Antonio Salieris Opera comica „La grotta die Trofonio“ ins Burgtheater zu bequemen. Haydns für London geschriebene Seria „L’anima del filosofo“ hat gar über 150 Jahre auf ihre Uraufführung warten müssen. Die für London vorgesehene und dann abgesagte Uraufführung fand erst 1951 im Teatro della Pergola in Florenz statt. Alle hier vorgestellte Volkstheaterzauberei transzendiert der beschließende Reigen seliger Geister aus Ritter Glucks Oper zur selben Thematik, „Orfeo e Euridice“. Die Gattung Zauberoper aber wahrhaft transzendiert hat die „deutsche Oper“ des Logenbruders Mozart, aus der Papagenos Auftritts-Arie gnädig eingeschoben worden ist.

Konstantin Krimmel, 1993 in Ulm geboren, hat an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart bei Professor Teru Yoshihara studiert und ist seit der Spielzeit 2021/2022 an der Staatsoper München in festem Engagement. Dort mentoriert ihn Tobias Truniger, Leiter des Opernstudios. Zwei gewichtige Liedalben hat Krimmel vorgelegt, eines mit Balladen der Romantik und eines mit Liedern Franz Liszts. Aus denen bricht immer auch auf, wofür in Schulen, Hochschulen und Theatern lediglich die technische Umsetzung gelernt werden kann, nämlich sängerische Biographie.

Die Arien des Albums „Zauberoper“ eint, was ihnen fehlt: der theatrale Kontext, in dem Musik nur eine, und nicht einmal die wichtigste, der Schwesterkünste war, welche die Zugkraft der Events bewirkten. Nicht in jedem einzelnen Fall läßt Krimmel vor den Augen des Hörers ein Rollenprofil entstehen, nicht jede der Arien all der Lubano, Eutifronte, Aristone, Scherasmin, Rodomonte, Creonte, nicht zu vergessen die der beiden Papageno, gäbe das denn auch her. Gelingt Krimmel beispielsweise in der Arie Scherasmins komödiantisches lautmalerisches Singen, klingt es in der Arie Lubanos überhastet, in wieder anderen merkbar defensiv, als befürchte der sonst so offensive Liedgestalter, die tückisch einfach gesetzten, für singende Schauspieler geschriebenen Arien zu überfrachten.

Aber was der Hörer an Bühnenattraktion nicht zu sehen bekommt, das müssen Sänger und Orchester ihm schon zu Ohren bringen. Da hätten Henneberg, von Winter, Paul Wranitzky, Salieri, Haydn und ein gewisser Mozart durchaus viel mehr freche Benutzung denn gediegenen Vollzug vertragen können, mehr Hexerei und allegorischen Budenzauber – auf der Mondreise vom Hoftheater zum Freihaustheater auf der Wieden.

Konstantin Krimmel Zauberoper Alpha Classics 2022

 alpha-classics.com

 konstantinkrimmel.com

 hofkapelle-muenchen.de