© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/23 / 15. September 2023

Kompromiß könnte kippen
Gegen Abtreibungen: Am Samstag findet der „Marsch für das Leben“ statt / Warnung vor Streichung des Paragraphen 218 aus dem Strafrecht
Christian Vollradt

Aus eins mach zwei. Erstmals findet der „Marsch für das Leben“ zeitgleich in zwei verschiedenen Städten statt. Traditionell gehen die Teilnehmer der großen Demonstration für den Lebensschutz an diesem Samstag in Berlin auf die Straße, zusätzlich am selben Datum auch in Köln. Ziel sei es, noch mehr Menschen zu mobilisieren, sagte die Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht (BVL), Alexandra Maria Linder, der Nachrichtenagentur idea. Wünschenswert seien mehr als 5.000 Teilnehmer in Berlin und rund 2.000 in Köln. Was die bioethischen Positionen betrifft, habe man „die schlechteste Bundesregierung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland“, ist Linder überzeugt. Daher sei es wichtig zu zeigen, daß „die Mehrheit der Menschen anders denkt“ und Menschenwürde für unabdingbar halte, betonte die BVL-Vorsitzende. 

Tatsächlich haben die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, „das Selbstbestimmungsrecht von Frauen zu stärken und Versorgungssicherheit in bezug auf Schwangerschaftsabbrüche“ herzustellen – das läßt bei Lebensschützern die Alarmglocken schrillen. Das Verbot, für Abtreibungen zu werben, wurde bereits im Juni 2022 gekippt, der entsprechende Paragraph 219a aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Für Grüne und große Teile der SPD steht als nächstes Ziel fest, die Regelungen zu Abtreibungen generell aus dem Strafrecht zu entfernen. Vorerst wurde das Thema an eine „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ delegiert, die seit März dieses Jahres darüber berät. 

Wann erste Ergebnisse vorliegen, ist noch ungewiß. Das Bundesgesundheitsministerium teilte auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit, die Experten seien unabhängig und hätten „nach einem Jahr einen Abschlußbericht vorzulegen“. Die Mitglieder der Kommission seien zur Verschwiegenheit über die Beratungen verpflichtet. 

Mit Blick auf solche Vorstöße der Bundesregierung haben vergangene Woche führende Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor einer weiteren Aushöhlung beim Schutz des ungeborenen Lebens gewarnt. Eine „Aufbrechung des austarierten Abtreibungskompromisses würde unsere Gesellschaft in unverantwortlicher Weise spalten“, heißt es in einem Schreiben der Abgeordneten Andrea Lindholz, Dorothee Bär (beide CSU), Günter Krings und Silvia Breher (beide CDU) an ihre Fraktionskollegen, das der jungen freiheit vorliegt. Das derzeit geltende Gesetz sei „eine kluge Regelung, die das Selbstbestimmungsrecht der Frau sichert und zugleich das Lebensrecht des ungeborenen Kindes und Hilfen im Schwangerschaftskonflikt berücksichtigt“, schreiben die Politiker. 

Unterdessen hat das Statistische Bundesamt die aktuellen Daten für das zweite Quartal 2023 bekanntgegeben. Demnach liegt die Anzahl mit 26.731 Abtreibungen 4,5 Prozent höher als im Vergleichszeitraum 2022. Nur in vier Prozent der Fälle war eine medizinische Indikation ausschlaggebend.

 www.bundesverband-lebensrecht.de

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