Das sei „schlichtweg falsch“, beteuert die Stadtverwaltung. „Pforzheim ist weder Mitglied der C40-Städte noch Unterzeichnerkommune dieser Selbstverpflichtung“, erklärte Pressesprecher Philip Mukherjee am 31. August. Die Stadt arbeite zwar an vielen Klimaschutzmaßnahmen, diese „sehen aber keinerlei Einschränkungen des persönlichen Konsums vor“, so Mukherjee.
Pforzheim wurde unterstellt, sich nicht an seine Selbstverpflichtung zu halten. Die C40 ist eine Gruppe von inzwischen 96 Städten auf der ganzen Welt, die ein Zwölftel der Weltbevölkerung und ein Viertel der Weltwirtschaft unter sich haben. Sie haben sich laut gemeinsamem Headline-Report der Londoner Planungsfirma Arup, der University of Leeds und der „C40 Cities Climate Leadership Group“ im Unternehmensberaterjargon verpflichtet, sich ein radikales Klimaprogramm inklusive Fleisch- und Autoverbot aufzuerlegen.
Deutsche C40-Mitglieder sind bislang Berlin und Heidelberg – nicht aber das CDU-geführte Pforzheim, wo AfD, Freie Wähler und Unabhängige zusammen mehr Mandate im Gemeinderat haben als die Partei von OB Peter Boch. Bei der C40-Selbstverpflichtung „Cities Race to Zero“ wird die badische Industriestadt jedoch gelistet, zusammen mit 1.143 Städten und Kommunalregierungen – vom nordschleswigschen Apenrade über das ostafrikanische Daressalam, das türkische Muğla, New York und Tsingtau bis hin zur argentinischen Kleinstadt Zapala.
Pforzheim gehört doch nicht zu den „Cities Race to Zero“
„Weder gibt es in Deutschland eine rechtliche Grundlage für derartige Verbote, noch sind solche Maßnahmen zielführend,“ ergänzt der Stadtsprecher. Die Verwirrung um die Teilnahme der Stadt, war durch eine falsch lautende Aussage auf deren Netzseite entstanden. Neben Pforzheim werden auch noch Bonn, Dortmund, Essen, Frankfurt, Gütersloh, Hamburg, Hannover, Ingolstadt, Konstanz, Mannheim, München, Münster, Oldenburg und Speyer bei den „Cities Race to Zero“ aufgeführt. Pforzheim will also nicht das „Fleischküchle“ verbieten, doch schon 2008 unter der FDP-Oberbürgermeisterin Christel Augenstein trat die Stadt dem europäischem Klimabündnis „Konvent der Bürgermeister“ bei. Unter ihrem SPD-Nachfolger Gert Hager ging es dann in den „Neuen Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie“. Das brachte die freiwillige Selbstverpflichtung mit sich, die „CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren und ein integriertes Konzept für Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel einzuführen“.
Aber das wäre ohnehin fällig: Der EU-Plan „Fit for 55“, das großkoalitionäre Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) und das „Klima-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 2021 verlangen ähnliches – jedoch ohne konkret zu werden. Das versucht allerdings der C40-Headline-Report von 2019. Und da die global agierende Arup Group an Bauprojekten wie der Münchener Allianz-Arena, dem Berliner Sony Center, dem Londoner Lloyd’s Building, dem Apple Park in Kalifornien oder der Zentrale des chinesischen Staatsfernsehens (CCTV) beteiligt war, geht es seitenweise um Energieeffizienz oder Stahl- und Zementeinsparung – aber nicht um ein Neubauverbot. Daher sollen anderswo um so mehr „Emissionen“ eingespart werden.
Das „Progressive Ziel für 2030“ lautet in der Ernährung: 16 Kilo Fleisch und 90 Kilo Milchprodukte pro Person und Jahr, insgesamt nur noch 2.500 Kilokalorien pro Tag und Reduzierung der Lebensmittelabfälle um die Hälfte. Das „ehrgeizige Ziel für 2030“ ist noch radikaler: gar keine Fleisch- und Milchprodukte mehr sowie keine Lebensmittelabfälle in den Haushalten: 100 Prozent vegan und alles aufessen! Begründung: 13 Prozent der verbrauchsbedingten Emissionen in den C40-Städten stammten von Lebensmitteln – und drei Viertel davon von jenen tierischer Herkunft.
Obwohl angeblich nur vier Prozent der Emissionen aus dem Textilbereich stammen, gibt es auch hier zwei Zielvorschläge: nur noch acht bzw. drei neue Kleidungsstücke pro Person und Jahr. Immerhin acht Prozent der Emissionen in den C40-Städten stammen laut dem Report von Privatfahrzeugen. Daher lautet hier das Mindestziel: nur noch 190 Autos oder Motorräder pro 1.000 Einwohner. „Dies liegt 20 Prozent unter dem globalen Durchschnitt der C40-Städte von 240 Fahrzeugen und damit in der Mitte zwischen den Extremen von 940 und 40 Fahrzeugen pro 1.000 Einwohner“, heißt es zur Erläuterung. Das ehrgeizige Ziel will selbstverständlich „0 private vehicles“.
Es gibt also in der C40-Wunschwelt auch keine Gnade für Tesla-Besitzer, denn die Produktion von E-Autos sei im Vergleich zu konventionellen Verbrennern mit zusätzlichen Emissionen verbunden. Gnade wird hingegen Lufthansa & Co. erwiesen: Ein maximal 1.500 Kilometer langer Hin- und Rückflug ist alle zwei Jahre pro Person erlaubt. Selbst im Idealfall darf der Bürger alle drei Jahre einmal einchecken. Strenger ist der Austausch von iPhone, Playstation & Co. geregelt: Sieben Jahre soll in beiden Szenarien ab 2030 die „optimale Lebensdauer von Laptops und ähnlichen elektronischen Geräten“ betragen. Das wäre weniger, als Garantien von Miele oder Toyota schon heute bieten.
Die dystopischen Verzichtsziele mit Gang zur Wahlurne verhindern
Allerdings: Keine C40-Stadt kann gezwungen werden, die dystopischen Klimaziele wirklich einzuhalten. Das entscheiden zumindest in den demokratisch regierten Städten die Bürger direkt oder indirekt an der Wahlurne. Der 81jährige C40-Board-Chef Michael Bloomberg ist zwar laut Forbes mit 94,5 Milliarden Dollar der siebtreichste Mensch der Welt, aber seit 2014 nicht mehr New Yorker Bürgermeister. Sadiq Khan, Chef des C40-Lenkungsausschusses, der am 29. August die Ultra Low Emission Zone (ULEZ) auf alle Londoner Stadtbezirke ausgeweitet hat, muß sich im Mai 2024 der Wiederwahl zum Bürgermeister stellen.
Sein altlinker Vorvorgänger, der C40-Mitgründer Ken Livingstone, wurde 2018 wegen israelfeindlicher Ansichten aus der Labour Party ausgeschlossen. Eine von Khans Stellvertreterinnen, die 41jährige US-Demokratin Kate Gallego, wird den Einwohnern von Phoenix in Arizona sicher nicht den riesigen Ram-Pickup, das Barbecue, den 3,8-Liter-Milch-Kanister, das neue Kleid und den wöchentlichen Heimflug im American-Airlines-Jet verbieten. Daran können auch ihre Kür zum „Young Global Leader 2020“ des Weltwirtschaftsforums und die spendablen C40-Geldgeber – darunter das Bundesumweltministerium, die Tory-Regierung, FedEx, Ikea, L’Oréal, die Fensterfirma Velux oder George Soros’ Open Society – nichts ändern.