Seit seiner Niederlage im Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 taumelte das Königreich Spanien von einer schweren Staatskrise zur nächsten. Verantwortlich hierfür waren neben dem Verlust des überseeischen Kolonialreiches vor allem auch separatistische Bestrebungen in den Regionen, anarchistische Gewaltausbrüche und kommunistisch inspirierte Massenstreiks als Echo auf die russische Revolution nach 1917. Dies alles führte zu massiver Kritik an den liberalen politischen Institutionen der konstitutionellen Monarchie, welche der Probleme nicht Herr wurden. So wetterte der spanische König Alfonso XIII. im Mai 1921 über die „Intrigen und Kleinlichkeiten“ der Politiker und kündigte an, sich künftig „auch außerhalb der Verfassung“ für das Wohl Spaniens einzusetzen.
Weitere Spannungen erwuchsen aus dem Feldzug gegen die Rifkabylen unter Mohammed Abd al-Karim im Protektorat Spanisch-Marokko, der ohne jegliche Legitimierung durch das Parlament geführt wurde und zur katastrophalen Niederlage in der Schlacht von Annual am 22. Juli 1921 führte: An diesem Tag verloren die Spanier 13.363 von 18.011 Mann. Daraufhin erstellte General Juan Picasso González einen Bericht für das Madrider Parlament, in dem er der Militärführung in Marokko Desorganisation, Nachlässigkeit und Unvernunft sowie auch Betrug und Korruption vorwarf, woraus die strafrechtliche Verfolgung von 26 höheren Offizieren resultierte. Hierdurch wiederum lag nun ein Militärputsch in der Luft.
Treibende Kraft bei dessen Vorbereitung war das sogenannte „Viereck“ – bestehend aus den Brigadegenerälen José Cavalcanti de Alburquerque y Padierna, Federico Berenguer y Fusté, Leopoldo Saro Marin und Antonio Dabán Vallejo. Allerdings warteten diese noch auf einen passenden Moment zum Losschlagen, wobei sich schließlich sogar zwei geeignete Anlässe ergaben. Zunächst kam es Ende August 1923 in Málaga zu einer Meuterei unter Soldaten, die nicht an Bord der Schiffe nach Marokko gehen wollten, wonach deren Anführer Barroso sogleich durch die Regierung amnestiert wurde. Dem folgten am 11. September Großdemonstrationen katalanischer Nationalisten unter Verwendung von Parolen wie „Tod für Spanien!“, „Tod der Armee!“ und „Tod dem Unterdrückerstaat!“
Mit der Leitung des Putsches betraute das „Viereck“ nach längerem Suchen in quasi letzter Minute den früheren Militärgouverneur von Cádiz und nunmehrigen katalanischen Generalkapitän Miguel Primo de Rivera y Orbaneja. Der Generalleutnant und Veteran der spanischen Kolonialarmee galt als „Ordnungspolitiker“ und sah sich selbst in der Rolle des „Eisernen Chirurgen“, der sein Vaterland durch eine harte, aber heilsame Operation kuriert. Außerdem sagte er über den italienischen Duce del Fascismo, Benito Mussolini: „Er ist meine Inspiration und mein Lehrer.“ Daher war es auch nur folgerichtig, daß Alfonso XIII. Primo de Rivera später als „meinen Mussolini“ bezeichnete.
Der spanische König Alfonso XIII. legitimierte den Umsturz
Dabei verlief der Putsch des Generals aber anders als der Marsch auf Rom, nämlich im Stile eines für Spanien und Lateinamerika typischen Pronunciamiento: Ein hoher Militär mit Rückhalt in der Armee oder zumindest in wesentlichen Teilen derselben kritisiert öffentlich die Politik der Regierung und bittet um Unterstützung der Bevölkerung. Wenn alles gut verläuft, geht dann ein Mitglied des Königshauses oder der Regierung auf die Forderungen der Aufrührer ein.
Primo de Rivera wandte sich am 13. September 1923 mit dem Manifest „Al País y al Ejército“ an seine Landsleute, nachdem er um Mitternacht den Kriegszustand ausgerufen und Barcelona unter Kontrolle des Militärs gebracht hatte. In dieser Erklärung geißelte er die „Unmoral des alten Regimes“ und kündigte an, das Land „von den Politikern zu befreien“. Zum selbigen Zeitpunkt genoß er allerdings noch keine offizielle Rückendeckung von König Alfonso XIII. Deshalb stand das Gelingen seines Putsches zeitweise auf Messers Schneide. Das veranlaßte Primo de Rivera am Morgen des 14. September, ein Telegramm an den König zu schicken, in dem er drohte, „dieser Revolution, jetzt gemäßigt, einen blutigen Charakter zu geben“. Daraufhin legitimierte Alfonso XIII. den Umsturz. Die Reaktion des Volkes hierauf war zumeist Jubel: „Es leben der Erlöser des Vaterlandes Primo de Rivera, Spanien und der König – nieder mit den Politikern!“
Nach seinen Motiven für das Nachgeben gegenüber den Putschisten gefragt, sagte der Monarch später: „Ich habe die Militärdiktatur akzeptiert, … so wie Italien den Faschismus akzeptieren mußte, weil der Kommunismus eine ernsthafte Bedrohung darstellte. Und weil bei den bösartigen Tumoren, unter denen wir in Spanien und Afrika litten, eine energische Therapie vonnöten war.“
Primo de Rivera fungierte bis zum 28. Januar 1930 als Kopf einer Junta beziehungsweise Präsident des Ministerrates. Während der Anfangszeit seiner faktischen Diktatur gab es wenig Widerstand gegen diese, was nicht zuletzt aus der erfolgreichen „Befriedung“ Spanisch-Marokkos durch den Einsatz von Giftgas und dem wirtschaftlichen Aufschwung im Lande resultierte. Dann freilich rutschte Spanien ab 1928 in die Rezession. Die Folge war eine Verschwörung gegen Primo de Rivera, wahrscheinlich auch unter Beteiligung des Königs, welche ihn zum Rücktritt nötigte. Daraufhin kam es zur „weichen Diktatur“ des Generalleutnants Dámaso Berenguer y Fusté, auf die im Februar 1931 die Regierung von Admiral Juan Bautista Aznar Cabañas folgte. Acht Wochen später führte der Sieg der antimonarchistischen Parteien bei den Kommunalwahlen zur Ausrufung der Zweiten Spanischen Republik, der jahrelang an schwerer Diabetes leidende Diktator war zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr tot.