© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/23 / 08. September 2023

Zeitschriftenkritik: Wir selbst
Selbstbestimmung und Identität
Werner Olles

Mit dem brandaktuellen Thema „Das Selbstbestimmungsrecht der Völker“ befaßt sich die mindestens zweimal jährlich erscheinende Druckausgabe (Nr. 54, Juli 2023) von Wir selbst, der „Zeitschrift für nationale Identität“. Während Herausgeber und Chefredakteur Siegfried Bublies auf die ideengeschichtlichen Wurzeln des Selbstbestimmungsrechts und dessen Bedeutung im Völkerrecht eingeht, erkennt er gleichzeitig „gegenläufige Tendenzen in Europa“, wie beispielsweise Zentralisation und Großraumbildung und nimmt „zunehmende Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht“ wahr.

Der Völkerrechtler Alfred de Zayas betont in einem Interview unter dem Titel „Das Recht auf Selbstbestimmung ist zugleich das individuelle und kollektive Recht auf Identität“, daß dieses als „fundamentales Menschenrecht eine ontologische Eigenschaft der Gesellschaft“ sei. Am Beispiel des Krim-Referendums im März 2014, als Beobachter der Uno trotz Einladung nicht kamen, weil man glaubte, das Ergebnis werde für Rußland ausgehen, kommt de Zayas zu dem Schluß, daß internationale Organisationen wie die OSZE, die EU und auch die Uno solche Abstimmungen nur erlauben und anerkennen, wenn ihnen das zu erwartende Ergebnis paßt. Daher herrsche bis heute die irrige Meinung vor, Rußland habe die Krim annektiert. Das sei jedoch falsch, da es sich um eine völlig legitime Ausübung des Selbstbestimmungsrechts gehandelt habe. 

Das tragische Schicksal der Jesiden schildert der AfD-Bundestagabgeordnete Martin Sichert. Er beschreibt den Völkermord von 2014, als Tausende Männer von den Schergen des Islamischen Staates (IS) abgeschlachtet, Tausende Mädchen und Frauen verschleppt und versklavt und Zehntausende Jesiden vertrieben wurden. Mit dem Jesidentum beschäftigt sich auch Uwe Sauermann. Von der Uno als eigenständige Ethnie anerkannt, würden sie vom Islam als „Götzendiener“ und „Teufelsanbeter“ verfolgt. Allein der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK gelang es, die letzten Jesiden vor dem Untergang zu retten. Dennoch entvölkern sich ihre traditionellen Siedlungsgebiete allmählich. Sauermann kommt zu dem traurigen Schluß: „Nach 4.000 Jahren stirbt eine Kultur.“

Weitere Beiträge befassen sich mit der „russischen Ethnos-Theorie“, „Linksnationalismus als Trugbild oder historische Realität“, „Universalismus oder Partikularismus als Systemfrage“. Lesenswert sind auch die zwei Beiträge des Kultursoziologen und Historikers Henning Eichberg (1942–2017), „Wer von den Völkern nicht reden will, soll von den Menschen Schweigen“ und „Ethnopluralismus – eine antikoloniale Begriffsgeschichte“.

Kontakt: Zeitschrift „Wir selbst“, Bergstr. 11, 56290 Schnellbach. Das Einzelheft kostet 15 Euro.

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