© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/23 / 08. September 2023

Der libertäre Ökonom Javier Milei will argentinischer Präsident werden
Erfolgreicher Populismus
Philipp Bagus

Javier Milei sorgt für Furore. Jüngst widmete auch die Londoner Financial Times dem argentinischen Präsidentschaftskandidaten und bekennenden Anarchokapitalisten einen Beitrag, in dem sie dem Libertären „rechten Populismus“ bescheinigte. Diese Strategie wurde von dem US-Ökonomen Murray Rothbard (1926–1995) entworfen, sie setzt auf eine radikale Streichung von Steuern und des Wohlfahrtstaates. Das ist genau die Linie des 52jährigen Milei. Die von ihm geforderte Senkung der Staatsausgaben und Reduzierung der Ministerien von 18 auf acht visualisiert er mit einer Motorsäge, mit der er den Staat zurechtstutzen will. Zudem schafft der rechte Populismus die Privilegien für „geschützte“ Minderheiten ab und stellt Gleichheit vor dem Gesetz wieder her, ein auch von Milei verfochtenes liberales Prinzip.

Rothbards Populismus beinhaltete die Abschaffung der US-Notenbank Federal Reserve. Milei hat genau das mit der 1935 gegründeten argentinischen Zentralbank BCRA vor, inklusive ihrer physischen Sprengung. Er möchte die Macht der BCRA, die alle inflationistischen Ausgabenprogramme von Juan Perón und seinen Nachfolgern willig finanzierte, endgültig zerstören und das Land dollarisieren. Danach soll es statt des schwindsüchtigen Pesos freien Währungswettbewerb geben. Des weiteren widersetzt sich der rechte Populismus der politischen Globalisierung und stellt die Interessen des eigenen Landes an erste Stelle – er streicht Entwicklungshilfe, Klimaprogramme und militärische Abenteuer. Zudem verteidigt der rechte Populismus traditionelle Familienwerte.

Der frühere Ökonomieprofessor Milei ist seit zehn Jahren medial präsent in der öffentlichen Debatte in Argentinien. Der polarisierende Talkshow-Star nutzte 2019 seine Popularität zur Gründung einer eigenen Partido Libertario, die 2021 im Bündnis La Libertad Avanza (LLA) aufging und den Sprung ins Parlament schaffte. Der Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie scheut keine lautstarke Polemik und läßt sich nicht einschüchtern. Energisch braust er gegen die ahnungslosen Linken („Zurdos“) auf und legt ihnen die Lektüre von Friedrich A. von Hayek, Ludwig von Mises und Rothbard nahe.

Er benennt die Profiteure des Staatsapparats und schimpft auf die Kaste der Politiker und Bürokraten, die auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung leben und gewinnt damit jene, die am meisten unter dem Joch des Staates leiden. Die angebliche „soziale Gerechtigkeit“ bedeutet Ungleichheit vor dem Gesetz und dient nur als Feigenblatt für Neid und Mißgunst. Steuern sind für Milei selbstverständlich Raub. Mileis emotionale Art kommt an, vor allem bei der Jugend. Erstaunlicherweise erhielt Milei bei den Vorwahlen im August 30 Prozent. Der zweitplazierte „Peronist“ Sergio Massa kam nur auf 21,4 Prozent. Unabhängig davon, ob der charismatische Milei die Präsidentschaftswahl am 22. Oktober auch gewinnt, hat er eine Bewegung angestoßen, nicht nur im hispanischen Einflußbereich.

Er hat den Libertären neue Hoffnung gegeben – auch wenn Argentinien ein von der Politik ruiniertes Land ist und am ökonomischen Abgrund steht. Nichts ist unmöglich. Selbst mit einem radikal liberalen Programm lassen sich demokratische Wahlen gewinnen. Milei macht vor, wie es geht: Vamos Javier. ¡Viva la libertad carajo!






Prof. Dr. Philipp Bagus lehrt Ökonomie an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid.