© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/23 / 08. September 2023

Ländersache: Nordrhein-Westfalen
Weniger erfolgreich als versprochen
Peter Hemmelrath

Als Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) jüngst das neue „Lagebild Clankriminalität“ vorlegte, verzichtete er erstmalig auf die sonst damit verbundene Pressekonferenz. Statt dessen ließ er den Bericht mit einer Presseerklärung versehen in einer E-Mail an die Journalisten versenden. Die FAZ mutmaßte sofort, Reul habe aus Rücksicht auf den grünen Koalitionspartner so gehandelt. 

Tatsache ist zumindest, daß die neuen Zahlen nur wenig zu der Popularität passen, die der christdemokratische Politiker wegen seiner Rhetorik im Kampf gegen Clankriminalität genießt: So wurden 2022 im Vergleich zum Vorjahr 20,3 Prozent mehr Straftaten mit Clanbezug gezählt. Mit 30,9 Prozent machten dabei Roheitsdelikte wie Raub und Körperverletzung sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit den größten Teil der erfaßten Taten aus. Aber auch Tötungs- und Sexualdelikte haben stark zugenommen. 

Der einzige wirkliche Erfolg, den Reul vermelden konnte, war der Rückgang der sogenannten Tumultlagen von 179 im Jahr 2017 auf 37 im vergangenen Jahr. Als Tumultlage werden jene öffentlichen Krawalle bezeichnet, die, wie zuletzt in Castrop-Rauxel und Essen, insbesondere die Menschen im Ruhrgebiet immer wieder in Angst und Schrecken versetzen.

Im Bereich der allgemeinen Kriminalität besitzen nur 53,4 Prozent der Tatverdächtigen die deutsche Staatsbürgerschaft, im Bereich der organisierten Kriminalität sind es gar nur 27 Prozent. Die anderen Tatverdächtigen sind überwiegend Libanesen, Syrer und Türken. Trotz dieser Zahlen setzt die Landesregierung bei der Bekämpfung der Clankriminalität aber auch weiterhin nicht auf Abschiebungen. Kritische Nachfragen von SPD und AfD im Innenausschuß brachten jüngst sogar hervor, daß es bis heute keine Statistik zu abgeschobenen Clanmitgliedern gibt. 

Die Zurückhaltung, die Herbert Reul bei diesem Thema zeigt, dürfte aber auch damit zusammenhängen, daß ihm bei Abschiebungen ohnehin die Hände gebunden sind. Denn seit 2017 ist in Düsseldorf nicht mehr das Innen-, sondern das Integrationsministerium dafür zuständig. Das wird seit 2022 von der Grünen-Politikerin Josefine Paul geführt. Und die sprach sich erst vor wenigen Wochen gegen die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geforderten verschärften Abschiebe-regelungen aus. 

Statt dessen setzt Reul auf eine „Drei-Säulen-Strategie“ aus „tausend Nadelstichen“, Ermittlungen im Bereich der organisierten Kriminalität sowie Prävention. Die Nadelstiche bestehen aus Kontrollen von Shisha-Bars und Wettbüros, bei denen auch kleine Rechtsbrüche angezeigt werden. Bei den Ermittlungen geht es um das „große Geld“, etwa dem aus Drogengeschäften oder dem illegalen Hawala-Banking. Bei der Prävention setzt Reul auf das ursprünglich für jugendliche Intensivtäter konzipierte Programm „Kurve kriegen“. Dies wurde 2020 auf Personen aus dem Clanmilieu im Alter von acht bis 17 Jahren ausgeweitet. Mit bislang 39 Teilnehmern ist der Erfolg aber auch hier überschaubar.