© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/23 / 08. September 2023

Aufgeschnappt
Weit entfernte Aneignungen
Matthias Bäkermann

Während der Disney-Konzern dieses Jahr die Schneewittchen- und Arielle-Rollen ganz bewußt mit „People of Color“-Schauspielerinnen besetzte, um gegen alle Kritik ein Zeichen für Diversität zu setzten, sorgt derzeit bei den Filmfestspielen in Venedig nicht die Rollenvergabe nach Hautfarbe, sondern nach Nationalität für Gemurre. Dort echauffiert sich der berühmte italienische Schauspieler Pierfrancesco Favino über die Besetzung im brandaktuellen Film „Ferrari“ des US-Regisseurs Michael Mann. Er bemängelt, daß die Rolle von Italiens legendärem Autobauer der US-Amerikaner Adam Driver an der Seite von Penélope Cruz spielt. „Es gibt ein Problem der kulturellen Aneignung. Die Rollen sollten nicht an ausländische Schauspieler vergeben werden, die von den eigentlichen Protagonisten der Geschichte weit entfernt sind“, zitiert der Wiener Standard vergangenen Montag den 54jährigen. Haltungsmäßig voll im Trend, belasten nun noch winzige Glaubwürdigkeitsdefizite den Vorstoß Favinos: So startete er 1996 seine Karriere als Mime eines preußischen Rittmeisters in Heinrich von Kleists Drama „Prinz von Homburg“ und als Simon Zelotes, ein Apostel Jesu aus dem noch ferneren Babylon.