© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/23 / 08. September 2023

Belagerung von Bergkarabach
Erst das Fressen, dann die Moral
Albrecht Rothacher

Armenien hatte mit Putins Rußland den falschen Verbündeten gewählt. Als im Juli 2020 das von Israel, der Türkei und Rußland hochgerüstete Aserbaidschan angriff, rührte der Kreml keinen Finger. Im ersten Drohnenkrieg der Welt hatten die Armenier in alten Russenpanzern gegen die türkischen Bayraktar keine Chance. So konnte das schiitische Öl- und Gasland seine Niederlage von 1992 wettmachen, als Armenien nach gegenseitigen Massakern und Vertreibungen im Zuge des Zerfalles der Sowjetunion den Latschin-Korridor zur armenisch besiedelten Exklave Bergkarabach auf aserischem Territorium erobert hatte. 

Zehn Monate schon riegelt das Regime von Ilham Alijew jenen einzigen Landzugang zur Enklave von 120.000 christlichen Armeniern ab. Nahrungsmittel, Medikamente, Treibstoffe, auch das Rote Kreuz kommen nicht durch. Und was tun die UN, die OSZE, die EU oder gar das moralgetriebene deutsche Außenministerium? Außer zahnlosen Appellen schlechterdings nichts. Wir erinnern uns an die „Kaviardiplomatie“ der Aseris, die vor vier Jahren CDU/CSU-Hinterbänkler für Persilscheine ihrer getürkten Wahlen eingekauft hatten. In diesem Juli besuchte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) Präsident Alijew und pries ihn als „verläßlichen und vertrauenswürdigen Partner“, mit dem die ach so wertegeleitete EU bald ein Kooperationsabkommen abschließen wolle. Von Menschenrechten oder Friedensgesprächen keine Rede. Das Öl und Gas aus Baku lassen grüßen.