Nach dem Rauswurf des grünen Staatssekretärs und Wärmepumpen-Fetischisten Patrick Graichen keimte Hoffnung auf. Und als der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) am 5. Juli den „Heizhammer“ von Robert Habeck und Klara Geywitz stoppte, atmeten Millionen Hausbesitzer auf. Thomas Heilmann von der CDU und seine elf AfD-Bundestagskollegen, die seinem Eilantrag beigetreten waren, konnten damit vor der Sommerpause einen politischen Erfolg verbuchen.
Doch die Ampel-Koalition ist unerbittlich: Nun soll ihre umstrittene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) mit den 95seitigen „Leitplanken“-Änderungen im September via Bundestagsmehrheit abgenickt werden. Und vorige Woche gab es es dazu Schützenhilfe: Das Umweltbundesamt (UBA) und der 2020 vom Merkel-Kabinett auf Basis seines Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) installierte Expertenrat für Klimafragen (ERK) lieferte passende „Argumente“ für Dämm-, Solardach- und Wärmepumpenzwang, Gas-, Kohle- und Ölheizungsverbot sowie für teurere „CO2-Preise“.
Mehr noch: Die aus Angst vor AfD und Bürgerzorn hektisch eingebauten GEG-Abschwächungen widersprächen den KSG-Zielen. „Wir vermuten, daß die angenommene Treibhausgasminderung im Gebäudesektor geringer ausfallen dürfte als im Gutachten errechnet. Dafür ist vor allem die erwartbare, wesentlich geänderte Ausgestaltung des GEG verantwortlich“, erklärte ERK-Chef Hans-Martin Henning bei der Vorstellung des 110seitigen „Prüfberichts 2023 für die Sektoren Gebäude und Verkehr“. Es fehle zudem ein „in sich schlüssiges und konsistentes Gesamtkonzept und ein übergreifender Maßnahmenrahmen“.
Treibhausgasminderung im Gebäudesektor zu gering?
Und der vom UBA koordinierte 274seitige „Projektionsbericht 2023“ über die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland bläst ins selbe Horn: Es braucht „zusätzliche Maßnahmen, um die KSG-Ziele „noch erreichen zu können. So müssen in den kommenden sechs Jahren Treibhausgasemissionen zusätzlich reduziert werden, die einem Umfang von etwa 40 Prozent der Emissionen Deutschlands im gesamten Jahr 2022 entsprechen“, verlangte UBA-Präsident Dirk Messner. Die Sektoren Energie-, Agrar- und Abfallwirtschaft hätten ihre CO2-Minderungsziele zwar übererfüllt, doch die Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie würden weiterhin zu viel CO2 emittieren.
Das UBA präsentiert auch eine Lösung: Autofahren, Heizen und Produktion müssen teurer werden. Wie? Über das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG). Die von der Ampel beschlossene Erhöhung des Zertifikatspreises für Benzin, Diesel, Gas und Heizöl auf 40 Euro pro Tonne CO2 (JF 34/23) sei zu niedrig. Der UBA-Vorschlag „S5b“ auf Seite 85 sieht für 2025 schon 200 Euro vor: Der Liter Benzin würde so um 56 Cent teurer, Diesel und Heizöl um 63,3 Cent – plus Mehrwertsteuer. Der Vorschlag „S5a“ sieht für 2030 sogar 340 Euro vor: Benzin würde um 95,2 Cent verteuert, Diesel und Heizöl um 1,08 Euro – die Heizrechnung würde sich so mehr als verdoppeln.
Daß sich Ampel-Minister, der ERK und das UBA die Bälle zuspielen, hat auch mit den handelnden Personen zu tun – denn „unabhängig“ ist der ERK nicht: Dessen Chef Henning ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) und Professor für Solare Energiesysteme an der Uni Freiburg. Seine Stellvertreterin Brigitte Knopf ist Generalsekretärin am Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Das wiederum wurde 2012 von der Essener Milliardärsstiftung Mercator (Metro-Erben Schmidt-Ruthenbeck) und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gegründet. PIK- und MCC-Chef ist der Politikberater und „CO2-Bepreiser“ Ottmar Edenhofer.
Im „Wissenschaftlichen Stab“ des ERK sind mit Jessica Berneiser, Iska Brunzema, Charlotte Senkpiel und Annette Steingrube ISE-Leute. Antonia Walter und Marie Zeller kommen vom MCC, Nicolai Hans war Praktikant bei PIK und MCC. Auch die beiden Technopolis-Consultants Jan Stede und Jan Blauert passen perfekt zum ERK: Die Technopolis-„Expert*innen“ unterstützen „Entscheidungsträger*innen“, die sich „gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen stellen“. Thomas Heimer ist wissenschaftlicher Leiter von Technopolis – und ERK-Ratsmitglied. Wie auch Marc Oliver Bettzüge, Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) der Uni Köln, der ebenso seine Zöglinge im ERK hat.
Manchen könnte der Klimarat an Habecks ministeriellen „Graichen-Clan“ und das Freiburger Öko-Institut erinnern. Das paßt: Den UBA-Projektionsbericht haben 23 Mitarbeiter des Öko-Instituts mitverfaßt – aber keiner davon heißt Graichen. Bei etwa 200 Öko-Instituts-Beschäftigten muß das nicht sein. Einen „Link“ zum ERK gibt es doch: Ratsmitglied Barbara Schlomann arbeitet am Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Gleichzeitig haben sechs ISI-Mitarbeiter am UBA-Projektionsbericht mitgeschrieben. Bei solch einer „Expertenauswahl“ überrascht es nicht, daß weder ERK noch UBA das Abschalten der „CO2-armen“ AKWs kritisieren.
Kein bürgerfreundliches Urteil
vom Bundesverfassungsgericht
Und warum gibt es überhaupt solche Gutachten? Das ist eine Folge der Governance-Verordnung der EU (18/1999) und des verschärften KSG, das 2021 mit schwarz-roter Mehrheit beschlossen wurde. Damit wurde das 2019 beschlossene Ziel der „Klimaneutralität“ um fünf Jahre auf 2045 vorgezogen und das „Zwischenziel“ für 2030 auf 65 Prozent „Treibhausgasminderung“ gegenüber 1990 erhöht. Im KSG sind genaue „jährliche Minderungsziele“ vorgeschrieben. So soll etwa die Jahresemissionsmenge im Gebäudesektor (Heizen/Warmwasser) im Jahr 2024 von 97 Megatonnen (Mt) „CO2-Äquivalent“ bis 2030 auf 67 Mt schrumpfen. Für die CO2-Sünder Industrie und Verkehr sowie die Sektoren Abfall-, Energie- und Landwirtschaft gibt es ebenfalls konkrete Vorgaben – und die werden regelmäßig von ERK und UBA „überprüft“.
Bei der GEG-Novelle auf ein bürgerfreundliches BVerfG-Urteil zu hoffen ist illusorisch: Der Erste Senat unter dem früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Stephan Harbarth verwarf am 24. März 2021 das „lasche“ erste KSG von 2019: Die dort bis 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen seien mit den Grundrechten künftiger Generationen und dem EU-Endziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 unvereinbar.