Von sich und seinem Gewerbe denkt der Frankfurter Antiquar Wolfgang Rüger ausgesprochen hoch: „Das gedruckte Buch ist die größte Errungenschaft des Menschen. Wir Antiquare sind die Letzten, die es aufheben. Wir halten das gesamte Wissen der Menschheit vorrätig.“ Im Interview mit der Frankfurter Rundschau (Online-Ausgabe vom 10. Juli 2023) streicht der einstige Redakteur, der als Feuilletonchef des Journal Frankfurt gern den „literarischen Underground“ erkundete, jedoch die eher düsteren Seiten der hehren Kulturmission deutscher Altbuchhändler heraus. Wie die meisten seiner Kollegen könne er von seinem Ladengeschäft, trotz des reichen, auf drei Stockwerken präsentierten Angebots von 45.000 Büchern, schon lange nicht mehr existieren. Gerettet habe ihn, „den größten Internethasser“, die zur Jahrtausendwende eingeführte Netz-Plattform Zentralverzeichnis Antiquarischer Bücher (ZVAB), die heute zu Amazon gehört. Sie erschloß vielen ehemals von Pleitegeiern umkreisten Antiquaren zwar einen weltweiten Kundenkreis und auskömmliche Umsätze. Aber dafür seien sie zum „Sklaven von Jeff Bezos“ geworden. Denn Händler hätten bei Amazon, dem „Nordkorea des Internet“, nur Pflichten und „absolut keine Rechte“. Hilflos sei man der Diktatur von Computerprogrammen ausgeliefert, die das „Einkaufserlebnis“ schmälernde Verstöße gegen eine statistisch taxierte „Kundenzufriedenheit“ mit Vertragskündigungen bedrohe. Gegen keine der Geschäftsbedingungen könnten Händler, die wie der „letzte Dreck“ behandelt würden, sich wehren: „Entweder man unterwirft sich oder man fliegt raus.“