Es ist wohl kein Zufall, daß zwei Gipfel gleichzeitig stattfanden: in den Rocky Mountains an der Westgrenze von Wyoming das jährliche Economic Symposium der US-Zentralbank Fed im Ski- und Wanderort Jackson Hole, das ein Dornröschenschläfchen führte, bis der damalige Fed-Chef Ben Bernanke die ursprünglich rein akademische Veranstaltung zur Verkündung seiner Pläne nutzte; und der BRICS-Gipfel 15.500 Kilometer entfernt in Johannesburg, wo der südafrikanische Winter derzeit ungefähr die gleichen Temperaturen beschert wie der Sommer in Jackson Hole. Mit dem Wetter enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten.
Fed-Chef Jerome Powell lieferte eine Rede, die jeder nach seinem Geschmack interpretieren kann. Die US-Inflation (Juli: 3,2 Prozent) sei noch zu hoch, und der Arbeitsmarkt zeige erste Schwächen, und die Zinsen seien schon restriktiv hoch. Die Fed werde auch keine Erwartungen mehr über künftige Zinsentscheidungen schüren. Auf die Gewißheit von vor ein paar Jahren, Zinsen müßten langfristig niedrig bleiben, folgt also ein „Abwarten und Durchwursteln“, das vornehm als „datenabhängig“ umschrieben wird. Eine Einsicht, daß sich die Wirtschaft nicht mit linearen Regressionsmodellen vorhersagen läßt, ist das aber noch lange nicht. EZB-Chefin Christine Lagarde war expliziter: Im Euroraum (Inflation im Juli: 5,3 Prozent) würden Zinsen „so lange wie nötig“ hoch bleiben. Zwei Prozent bleibt Powells und Lagardes Inflationsziel.
Man muß dem Amerikaner zugestehen, daß er keine leichte Aufgabe hat angesichts von Präsident Joe Bidens Subventionspolitik. Zu Zeiten eines engen Arbeitsmarkts fährt er ein inflationstreibendes Haushaltsdefizit von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung, wie man es sonst nur aus Krisenzeiten kennt. Das soll seine Wiederwahl 2024 sichern. Das durch schnelle Zinserhöhungen auszugleichen ist problematisch, wie man an den daraus resultierenden Bankenpleiten und dem kurz bevorstehenden Zusammenbruch des Markts für Gewerbeimmobilien sieht. Powell ist sich der Gefahren von Über- wie Unterreaktion bewußt. Doch erfahrungsgemäß scheitern alle Versuche einer „weichen Landung.“ Zinserhöhungen haben immer überraschende Nebeneffekte.
In den BRICS-Ländern sieht es anders aus. China senkte Zinsen in der Hoffnung, die Auswirkungen der Immobilienkrise aufzufangen. Zwangsläufig entstehen Währungsprobleme, was die KP-Führung durch eine Anweisung an Banken, Renminbi zu kaufen, aufzufangen versucht. Brasilien konnte die Zinsen senken, weil dort im März 2021 mit Erhöhungen reagiert wurde. Rußland hingegen erhöhte seine Zinsen. Brasiliens Vorschlag einer goldgedeckten Währung stand nicht auf der Tagesordnung. Einigen konnten sich die fünf Länder stattdessen auf alternative Zahlungssysteme (JF 30-31/23). Mehrere Minister verlautbarten, „BRICS Pay“ solle kein Gegenstück zum westlichen Swift-System werden. Aber was dann? Die Formulierung, die alle Minister wählten, es solle den Handel in Währungen erleichtern, klingt dann doch wieder wie ein Ersatz von SWIFT. Erst in einem Jahr auf dem nächsten Treffen im russisch-tatarischen Kasan sollen die BRICS-Finanzminister einen Bericht zum Zahlungssystem vorlegen. Zu Kriegszeiten ist das eine Ewigkeit. Vielleicht ist das Problem doch nicht so brennend?