Auch mehrere Wochen nach der spanischen Parlamentswahl steht die Frage nach der nächsten spanischen Regierung ohne Antwort im Raum. Stattdessen streiten sich in Madrid Sozialisten, Separatisten und Konservative im Ringen um wenige Sitze im Parlament. Denn die Lage ist unverändert verfahren, keines der beiden Lager kann eine klare Mehrheit auf sich vereinen. Stattdessen müßten sowohl der Sozialdemokrat Pedro Sánchez als auch sein konservativer Gegenpart Alberto Feijoo um die Unterstützung separatistischer Kleinparteien buhlen. Doch diese Brautschau gerät zur Farce, denn das Argument, eine „chaotische Phase ohne gewählte Regierung schade dem Land“, wie es aus Kreisen der Vox zu hören ist, interessiert naturgemäß weder die Kollegen der katalanischen noch der baskischen Separatisten. Das weiß auch der kommissarische Amtsinhaber Sánchez und lockt sowohl die sozialistischen als auch die etwas bürgerlichen Separatisten aus Katalonien mit Geld.
Seine Partei PSOE will nun an den Stellschrauben des innerspanischen Finanzausgleichs drehen. Genutzt hat das Sánchez bisher wenig, denn zum einen wollen die Katalanen nicht vergessen, daß es ausgerechnet seine Regierung war, die nach anfänglichem Zögern robust gegen die Abspaltung der Region vorgegangen war. Und zum anderen ist Sánchez mit seiner PSOE momentan nicht am Zug. Spaniens König Felipe VI. gab dem eigentlichen Sieger der Wahl, Alberto Feijoo und seiner PP den Vorzug. Eigentlich ein naheliegender Schritt, konnte sich doch die PP gegenüber der PSOE deutlich verbessern. Allerdings fehlen Feijoo die möglichen Partner. Die rechtskonservative Vox, sonst deutlich selbstbewußter im Auftreten, hat sich der PP zwar mittlerweile zum Nulltarif verkauft, fordert weder Regierungsbeteiligung noch politische Zugeständnisse, verfügt aber unverändert nicht über die nötige Mandatsstärke, um eine Alleinregierung der PP möglich zu machen.
Binnen weniger Wochen ist aus dem kraftvollen Newcomer ein fünftes Rad am Wagen geworden. Verantwortlich dafür ist vor allem die Führungsspitze der Partei, die nun nur noch Sánchez verhindern will und sich sonst aus der inhaltlichen Debatte verabschiedet hat. Immerhin hat Vox-Frontmann Abascal durch den Verzicht auf jede Form einer Regierungsbeteiligung den Weg für die einzige Abgeordnete einer kanarischen Wählervereinigung freigemacht. Cristina Valido, von der regionalistischen Kanarischen Koalition (CC), hatte sich ursprünglich geweigert, eine Regierung aus Vox und PP zu unterstützen. Mit Valido, den Abgeordneten der Vox und zwei weiteren Regionalparteien fehlen Feijoo unverändert noch vier Abgeordnete zur Regierungsmehrheit. Lediglich eine Nichtteilnahme an der Wahl durch eine der separatistischen Parteien könnte Feijoo noch die Mehrheit verschaffen, das Quorum würde sich dann entsprechend verringern.
Ein heikles Unterfangen, an dessen Erfolgsaussichten kaum jemand glauben will. Das weiß auch Carles Puigdemont, der Übervater der erfolgreichen katalanischen Separatistenvereinigung JUNTS. Sein Kalkül: Würde Feijoo in zwei Wahlgängen im Parlament scheitern, wäre der Weg für Pedro Sánchez frei. Eine mögliche Chance auf ein von der spanischen Regierung anerkanntes Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien könnte eine Einigung mit Sánchez sein. Denn anders als Feijoo und sein Stimmenblock fühlen sich viele linke Abgeordnete ohnehin nicht dem spanischen Königreich verpflichtet. Eine knappe Regierungsmehrheit für Sánchez könnte – so dürfte die Hoffnung des ehemaligen katalanischen Regierungschefs Puigdemont und seiner Truppe sein – zur letzten gesamtspanischen Regierung führen.