© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/23 / 01. September 2023

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Es geht schon wieder los
Christian Vollradt

Für Berlins Schüler hat dieser Tage schon der sogenannte Ernst des Lebens, sprich der Unterricht, wieder begonnen. Kommende Woche ist auch für die Abgeordneten des Bundestags die Ferienzeit zu Ende. Montag beginnt die erste Sitzungswoche nach der parlamentarischen Sommerpause. 

Dann schlendern nicht mehr nur Touristen durchs Regierungsviertel, dann eilen auch wieder die Volksvertreter von Sitzung zu Sitzung, dann rollen die schwarzen Limousinen der Fahrbereitschaft wieder heran, wo eben noch für Selfies posiert wurde. Und die Schlangen zur Mittagszeit in den Kantinen und Bistros werden auch wieder länger.

Doch bevor der Betrieb im Bundestag wieder so richtig brummt, öffnet das Hohe Haus noch einmal seine Türen für die interessierte Öffentlichkeit. Diesen Sonntag findet – zum inzwischen 17. Mal – der „Tag der Ein- und Ausblicke“ statt. Sämtliche Gebäude des Parlaments können auf einem Rundgang erkundet werden, Einblick gewähren sogar die Energieleitzentrale und das Bundestagsarchiv. Auf der Ebene oberhalb des Plenarsaals präsentieren sich sämtliche sechs Bundestagsfraktionen. Gespräche der Abgeordneten mit den Besuchern sind ausdrücklich erwünscht. Zudem stellen unter der Kuppel sämtliche Vizepräsidenten die Arbeit des Bundestags vor. Wem das nicht reicht an Unterhaltung, dem seien Clown Natscha und Clowni Schorsch empfohlen, die, so die Ankündigung, „samt Zaubertricks und Ballon-Tieren im Gepäck durch die Parlamentsgebäude wandern“.

Apropos wandern. Klassischerweise ziehen sich Politiker nach der langen Sommerpause zu Klausurtagungen zurück, bei denen man – politisch – in sich geht. Anfang dieser Woche traf sich die SPD, zur Wochenmitte die Bundesregierung, von Donnerstag bis Samstag trifft sich die AfD-Bundestagsfraktion. Themen und Stimmungslagen sind höchst unterschiedlich. Gemeinsamkeit nur: Man tagt nicht in Berlin, sondern außerhalb. Die Sozialdemokraten wählten Hessens Landeshauptsstadt Wiesbaden, schließlich wird dort demnächst der Landtag gewählt. Pech nur, daß sich die Spitzenkandidatin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, kurz zuvor mit Covid infiziert hat und daher nicht teilnehmen konnte. Das Kabinett Scholz kam Dienstag und Mittwoch traditionell auf Schloß Meeseberg zusammen. Der Klärungsbedarf (JF 35/23) hätte wahrscheinlich für eine Woche gereicht. Mutmaßlich besserer Stimmung trifft sich die AfD in Oberhof in Thüringen. Dort wollen die Fraktionsmitglieder ihre Strategie für die parlamentarische Arbeit festlegen und ein Positionspapier „10-Punkte-Sofortprogramm einer AfD-geführten Bundesregierung“ beraten. 

Und dann macht an diesem Freitag die Berliner einen Abstecher in die Bonner Republik: Mit einem Festakt wird – am authentischen Ort im Zoologischen Museum Koenig – eines historischen Moments in der deutschen Demokratiegeschichte gedacht, der Konstituierung des Parlamentarischen Rates vor 75 Jahren.