Für Ampel-Verhältnisse erstaunlich geräuschlos hat sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP auf Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts verständigt. Die Einbürgerungen sollen erleichtert, der Doppelpaß soll künftig zum Normalfall werden. Die Opposition aus CDU/CSU und AfD lehnt das Vorhaben grundsätzlich ab. Mit unterschiedlichen Akzenten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte bei der Vorstellung der Novelle, Fachkräfte könne man nur gewinnen, wenn diese perspektivisch deutsche Staatsbürger werden könnten. So soll eine Einbürgerung künftig nach fünf statt bisher acht Jahren möglich sein. Bei „besonderen Integrationsleistungen“ soll die Frist gar auf drei Jahre herabgesetzt werden. Dazu zählen entweder hervorragende Sprachkenntnisse, herausragende Arbeitsleistungen oder ehrenamtliches Engagement. Den deutschen Paß gibt es für Erwachsene, wenn sie ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln („überwiegend selbst“) bestreiten können.
„Wer Werte nicht teilt, kann kein Deutscher werden“
Eingebürgert werden sollen nur Migranten, die sich integriert haben und über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Eine Ausnahme gilt für die sogenannte Gastarbeitergeneration und die ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter. Bei ihnen wird auf einen schriftlichen Deutschtest verzichtet, mündliche Sprachkenntnisse sollen reichen. Damit soll die „Lebensleistung gewürdigt werden“, heißt es in dem Entwurf. Sollte zu einer Lebensleistung nicht auch das Erlernen der deutschen Sprache gehören?
Für Kinder von in Deutschland geborenen Migranten bedeutet die Neuregelung, sie bekommen den deutschen Paß, wenn Mutter und/oder Vater seit fünf Jahren (früher acht Jahre) einen „rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt“ nachweisen können. Damit werden alle Kinder etwa von Syrern, die mit der Flüchtlingswelle 2015 ins Land kamen, automatisch Deutsche. Zugleich können sie die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern behalten, die bisher geltende spätere Optionspflicht für junge Erwachsene fällt weg. Es gilt auch: Wer der Optionspflicht unterlag und sich einmal gegen die deutsche und für die ausländische Staatsangehörigkeit entschieden hatte, soll die deutsche nun wiederbekommen können. Faesers Vorlage macht also Schluß mit dem Ausnahmecharakter der doppelten Staatsbürgerschaft.
Die Unionsfraktion hatte in dem Ampel-Vorhaben zunächst ein Kampfthema gesehen. Vize-Fraktionschefin Andrea Lindholz fand markige Worte, als die Pläne im November bekannt wurden: „Die Ampel will den deutschen Paß offenbar verramschen. Ausländern in Deutschland wird damit ein großer Anreiz genommen, sich zu integrieren. Das kann zu einer echten Gefahr für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft werden“. Ein halbes Jahr später knickte die CSU-Politikerin auf ganzer Linie ein: „Eine Einbürgerung sollte künftig grundsätzlich dann möglich sein, wenn Ausländer in den vorangegangenen mindestens 24 Monaten ununterbrochen erwerbstätig waren.“ Kleine Einschränkung: „Lediglich 20 Monate in den letzten zwei Jahren, wie von der Ampel vorgesehen, sind hier eindeutig zu kurz“. Die Kritik der AfD fiel deutlich und knapp aus. „Einbürgerungsirrsinn“, befand Co-Fraktionschefin Alice Weidel. Ihr innenpolitischer Sprecher Gottfried Curio befürchtet eine „schleichende Entmündigung der deutschen Bürger, denen das Land unter ihren Füßen weggezogen werden soll“.
Faesers Handschrift ist zu erkennen, wenn es um verurteilte Paßbewerber geht. Denn das bisher verlangte Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung wird um eine antifaschistische Komponente erweitert. „Antisemitisch, rassistisch oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen“ seien mit dem Grundgesetz unvereinbar. Da versteht die SPD-Frau keinen Spaß. Künftig sind die Einbürgerungsbehörden verpflichtet, bei den Staatsanwaltschaften nachzufragen, ob ein Paßbewerber bereits wegen einschlägiger Straftaten verurteilt worden ist. Hier gelte „keinerlei Toleranz“, stellte sie klar, möge die Strafhöhe auch gering ausgefallen sein. „Wer unsere Werte nicht teilt, kann kein Deutscher werden“, sagt die Ministerin. Doch teilen die Deutschtürken die hiesigen Werte, die bei der letzten Präsidentschaftswahl im Mai mit über 67 Prozent dem Autokraten Erdoğan ihre Stimme gegeben haben?
Im Herbst soll der Bundestag den Gesetzesentwurf beraten und verabschieden. Der Bundesrat brauche nicht zustimmen, ist sich Faeser sicher. Dann könnte das neue Recht zum Jahreswechsel in Kraft treten. Profitieren dürften über zwei Millionen Ausländer in Deutschland, schätzen Experten.