© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/23 / 25. August 2023

Zeitschriftenkritik: Agora Europa
Das Pippi-Langstrumpf-Syndrom
Werner Olles

Wie wandelt sich der ‘Vater aller Dinge’, und wie verändert er uns?“ fragt die aktuelle Ausgabe (4/2023) von Agora Europa in ihrem Titelthema „Die Zukunft des Krieges“. In der Zeitschrift für rechte Metapolitik sieht der Ökonom und Jurist Peter Steinborn Europa als „wehrlosen Kontinent“ angesichts des völligen Zusammenbruchs der europäischen Friedensordnung und der allmählichen Auflösung der Weltordnung. Zwar habe der „nicht unvorhersehbare“ Rußland-Ukraine-Konflikt zu den wahrscheinlicheren Szenarien gehört und fand auch bereits seit 2014 mit „niedriger Intensität“ statt, doch die EU bezeichnet er unumwunden als „Papiertiger“. Auch das von den USA beherrschte Nato-Bündnis habe inzwischen „mehr Risse als augenscheinlich sichtbar“, seit die Türkei, Ungarn und Teile des Westbalkans eine abweichende Haltung zu Rußland forcieren. Moralisch sei der Westen ohnehin an einem Tiefpunkt angelangt, einhergehend mit einem massiven Werteverfall, einer zunehmenden Säkularisierung und deutlichen Identitätsstörungen.

Der Ökonom Tom Dieke beschreibt in seinem Essay „Die Rückkehr des Kriegers – Skizzierung eines neuen Typus für unsere Zeit“ den Konflikt im Osten Europas und die Wehrunfähigkeit des Kontinents, dessen internationale Einrichtungen (Nato, Uno, EU etc.) ihre Friedensfunktion nicht erfüllen konnten, sondern den Krieg im Gegenteil noch anheizten. Insbesondere die grünen „Pazifisten“ überschlugen sich in ihren Forderungen nach einer Ausweitung des Konflikts. Reflexartig habe man sich auf den angeblich „Schuldigen“ gestürzt, der die urgrüne „Weltfriedensutopie“ zerschlug und nun bestraft werden mußte. Das „Pippi-Langstrumpf-Syndrom“, eine anhaltende Realitätsverweigerung gepaart mit massiver Erkenntnis- und Beratungsresistenz habe zu einem „Ausstieg aus der Geschichte“ aus dem alleinigen Blickwinkel des Mitleids geführt. Tatsächlich seien Sicherheit und Frieden nur durch Wehrbereitschaft erreichbar.

Der chilenische Romanautor Christián Barros sieht den Rußland-Ukraine-Konflikt als „Beginn des Dritten Weltkrieges“, bei dem es um den „Erhalt der Hegemonie des Petrodollars“ gehe, Deutschland inzwischen am Rockzipfel angloamerikanischer Ölfirmen hänge und das Ganze in einer nuklearen Apokalypse enden könne. Besondere Aufmerksamkeit verdient das Interview mit Leonid Savin, Politikwissenschaftler, Verwaltungschef der Internationalen Eurasischen Bewegung und Mitglied des Lenkungsausschusses des Internationalen Terrorbekämpfungszentrums in Islamabad über Krieg, Metapolitik und Multipolarität.

Kontakt: Metapol Verlag & Medien, Caya Postbox 604127, 11516 Berlin. Das Einzelheft kostet 12 Euro.

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