Am 2. Juli dieses Jahres ist das Gesetz für den besseren Schutz hinweisgebender Personen, die Verstöße gegen das EU-Recht melden, in Kraft getreten – von Spöttern „Das gute Denunzianten-Gesetz“ getauft. Als solches wertet es auch der Historiker Hubertus Knabe, einer der besten Kenner der Geschichte des Stasi-Apparats, für den dieses Gesetz den Weg Richtung Überwachungsstaat ebnet (Die Welt vom 18. August 2023). Der emeritierte Staatsrechtler Hans Peter Bull, ehemals Bundesbeauftragter für Datenschutz, ist weniger pessimistisch, schließt die Möglichkeit aber nicht aus, daß sich realisiert, was Knabe fürchtet. Zumindest richte sich die Absicht des Gesetzgebers nicht auf den semitotalitären Umbau des Rechts- und Verfassungsstaates, weil er nur EU-Recht umsetze. Und den Brüsseler Bürokraten sei es wie immer zuerst ums Geld gegangen. Gemäß der EU-Richtlinie sollen mit den nationalen Gesetzen Verstöße gegen Binnenmarktvorschriften, das Wettbewerbs- und Körperschaftssteuergesetz sowie den Arbeitsschutz aufgedeckt werden, die den EU-Etat schwer belasten. Das Hinweisgeberschutzesetz will daher alle „Whistleblower“, die in Ämtern und Betrieben mit der Ausführung von EU-Recht zu tun haben, als Kontrolleure ihrer Kollegen mobilisieren. Das dafür zu installierende Netz von „Meldestellen“, die allein in Deutschland in 35.000 Unternehmen einzurichten sind, birgt allerdings auch für Bull die Gefahr, sich von den ökonomischen Vorgaben zu entfernen, da sie nur bei lückenloser Erfassung sämtliche Rechtsverstöße zu erfüllen wären. Eine solche perfekte Umsetzung rechtlicher Regeln im „totalen“ Rechtsstaat etablierte aber den Überwachungsstaat (Merkur, 6/2023).