© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/23 / 25. August 2023

Von der Wahlurne zur Urnenwahl
Präsidentschaftswahl in Simbabwe: Der politische Wettbewerb ist von Gewalt und Korruption überschattet
Paul Leonhard

Europäer sollten Demonstrationen und größere Menschenansammlungen meiden und gegebenenfalls den Anweisungen lokaler Sicherheitskräfte unbedingt folgen. So warnt die deutsche Botschaft in Harare. In Simbabwe herrscht aktuell ein Wahlkampf, der nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem Klima systematischer und brutaler Unterdrückung stattfindet. Mitglieder der Opposition seien systematisch belästigt, unterdrückt, verhaftet und entführt worden, teilt der Think-Tank „International Crisis Group“ (ICG) mit. Wahlen seien in Simbabwe „ein Extremsport“, findet auch Mthulisi Hanana, Generalsekretär der Zapu-Partei. Die Regierungspartei „Zimbabwe African People’s Union – Patriotic Front“ (Zanu-PF ) würde „tagsüber Frieden predigen und nachts die Gewalt entfesseln“. Diplomatischer formuliert es die deutsche Auslandsvertretung: Vor und nach den für den 23. August angesetzten Wahlen, zu denen sechs Millionen Bürger des südafrikanischen 16-Millionen-Einwohner-Landes aufgerufen sind, Präsidenten, Parlament sowie lokale Repräsentanten zu wählen, könnte es zu gewaltsamen Zusammenstößen kommen. 

Präsident Mnangagwa fordert die „Selbstversorgung um jeden Preis“ 

Es gärt in Simbabwe. Nachdem zahlreiche Oppositionspolitiker festgenommen oder zu den Wahlen nicht zugelassen wurden, sprach der 45jährige Nelson Chamisa, Präsidentenkandidat der 2020 gegründeten größten Oppositionspartei „Citizens Coalition for Chance“, von „politischer Gewalt“ und „schmutzigen Taktiken“. Der seit 2017 regierende Emmerson Mnangagwa, Nachfolger des einstigen Unabhängigkeitskämpfers Robert Mugabe, versicherte dagegen vor 150.000 Anhängern in der Hauptstadt: „Niemand wird uns daran hindern, dieses Land zu regieren.“ Die Zanu-PF regiert die ehemalige britische Kolonie Südrhodesien seit deren Unabhängigkeit 1980. Aber ihre Macht schwindet, wie der knappe Ausgang der Präsidentenwahl 2018 zeigte. In der Nationalversammlung sitzen aktuell 181 Abgeordnete der Regierungspartei sowie 88 der Oppositionsparteien und ein unabhängiger Parlamentarier. Schon damals trat der Anwalt Chamisa gegen Mnangagwa an, der mit 50,8 Prozent knapp gewann. Beide sind auch diesmal die aussichtsreichsten Kandidaten.

Galt Rhodesien einst als Kornkammer Afrikas, so war die landwirtschaftliche Produktion nach der Vertreibung der weißen Farmer 2010 völlig eingebrochen. Das Land war plötzlich auf den Import von Weizen angewiesen. Als es mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges zu einer weltweiten Getreideknappheit kam, erklärte Präsident Mnangagwa die „Selbstversorgung um jeden Preis“ zum Staatsziel. Hunderte von kleinen Betrieben wurden für den Anbau von Getreide gewonnen, der zuvor großen Agrarunternehmen vorbehalten war. Tatsächlich fuhr Simbabwe 2022 die größte Weizenernte seiner Geschichte ein. Unüberhörbar sind unterdessen die antiamerikanischen Töne im Wahlkampf Mnangagwas. Die wirtschaftlichen Probleme seien auf die von den USA und der EU verhängten Sanktionen zurückzuführen. Zur Einschüchterung der Opposition dient ein kürzlich verabschiedetes Gesetz, nach dem sich strafbar macht, wer „das nationale Interesse Simbabwes schädigt“. Und das tun aus Sicht des Präsidenten natürlich Chamisa und seine Partei als eine „Marionettenorganisation“ der alten Kolonialmacht Großbritannien und des Westens. Sollte es bei der Präsidentenwahl keinen Gesamtsieger geben, findet die Stichwahl am 2. Oktober statt.