© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/23 / 25. August 2023

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Deutschlands Netzwerk der Internetzensoren: Wie die Bundesregierung mit NGOs, Stiftungen und Konzernen den Rahmen der Redefreiheit absteckt
Collin McMahon

Es wird eng für den Zensurindustriellen Komplex: Nachdem die Twitter-Files- Journalisten Matt Taibbi und Michael Shellenberger enthüllten, wie die US-Regierung ihre verfassungsfeindlichen Zensurbemühungen an ein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ausgelagert hat (JF 29/23), klagt Twitter-Chef Elon Musk nun gegen das britische Center for Countering Digital Hate (CCDH). Die NGO solle „dem Geschäft von Twitter schaden, indem Werbekunden mit aufrührerischen Behauptungen von der Plattform vertrieben werden“, außerdem habe sie widerrechtlich auf Daten von Twitter zugegriffen.

In Deutschland streicht derweil das Bundesjustizministerium (BMJ, FDP-geführt) einen Teil der Finanzierung für die Internetkontrolleure HateAid und die Amadeu-Antonio-Stiftung (siehe unten). Und einer der privaten Hauptfinanziers, die Open Society Foundations (OSF), die George Soros an seinen Sohn Alexander übetragen hat, kündigt an, sich strategisch aus der EU zurückzuziehen. Seitdem Milliardär Musk im November 2022 Twitter mit dem Versprechen, die Meinungsfreiheit auch für Nichtlinke wiederherzustellen, kaufte, beklagen sich zahlreiche NGOs über eine Zunahme an „Haß“ und „Desinformation“ in dem sozialen Netzwerk.

In Deutschland nennen NGOs wie Betterplace und HateAid etwa Klimapanikkritik „Des­information“. Nachrichten, die „die Unterstützung für die Ukraine untergraben“ könnten, gelten vor jeder Untersuchung als „russische Desinformation“. Beinahe alle dieser „Hatespeech-Experten“ haben während der Corona-Pandemie kritiklos die aktuelle Regierungslinie nachgebetet. Bereits 2018 galten Hashtags wie „merkelmussweg“ als „rechte Hetze“.

Diese oft staatsfinanzierten NGOs finden fast immer Unterstützung seitens einschlägiger Stiftungen: Robert-Bosch, Mercator oder Bill-und-Melinda-Gates. Im Zentrum dieses Netzwerks tauchen meist angloamerikanische Ideengeber auf wie der German Marshall Fund, das Atlantic Council und vor allem das Institute for Strategic Dialogue (ISD).

Laut Shellenberger gibt es „keine Anzeichen, daß Haß im Internet zunimmt“. Im Gegenteil: Wir lebten im vielleicht tolerantesten Zeitalter, das die Welt je erlebt habe. NGOs wie das ISD und die Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) fabrizieren Vorwürfe von „Antisemitismus“, indem sie jede Kritik am linken Großspender George Soros oder das Verwenden von Begriffen wie „Globalist“ oder „Neomarxist“ als „antisemitische Chiffren“ bezeichnen. Wer sich Sorgen über islamischen Terrorismus oder unkontrollierte Massenmigration macht, ist der „Islamophobie“ und des „Rassismus“ schuldig. Das Problem dahinter: „Bis heute existiert keine rechtlich verbindliche Definition von Hate Speech“, die mehr sei „als eine Ansammlung politisch besetzter und auslegungsbedürftiger Begrifflichkeiten darstellt“, so die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. 

Am 25. August tritt zudem der EU Digital Services Act in Kraft. Ein Gesetz, das laut Rita Jonusaite vom EU DisinfoLab „nicht nur illegale Inhalte, sondern auch legale, aber schädliche Inhalte regulieren soll“. Weiter arbeitet die Bundesregierung an einem Gesetz gegen „digitale Gewalt“, das ausdrücklich die nicht näher definierte „Haßrede“ beinhalten soll. Alle diese Gesetze stehen im Konflikt mit Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes: „Eine Zensur findet nicht statt.“

Institute for Strategic Dialogue

Das 2006 in London gegründete Institute for Strategic Dialogue (ISD) war einer der ersten Ideengeber, die sich auf „Desinformation“, „Extremismus“ und „Haß und Polarisierung“ konzentrierten. Im Dezember 2017 veröffentlichte das ISD eine von der OSF finanzierte Studie „Make Germany Great Again“ zur angeblichen „Einflußnahme von Alt-Right und Kreml“ auf die Bundestagswahlen 2017. Es „beobachtete“ außerdem die bayerischen Landtagswahlen 2018 und die Wahlen zum EU-Parlament 2019. Dabei wurden AfD-nahe Posts als „Desinformation“ und „Mobilisierung“ klassifiziert. Im Februar 2019 veranstaltete das ISD beim BMJ sogar eine Veranstaltung zu Mißinformation, Polarisierung und Extremismus. Seit 2021 unterhält es mehrere Projekte für das BMJ. Deren Titel lauten „Im Toten Winkel – Wie Rechtsextreme alternative Online-Plattformen zur Radikalisierung nutzen“ oder „Stützpfeiler Telegram – Wie Rechtsextreme und Verschwörungsideolog:innen auf Telegram ihre Infrastruktur ausbauen“.

Am 19. Mai 2022 nahm das ISD am Verfassungsschutzsymposium mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD), dem Vorsitzenden des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, und seinem Vize Sinan Selen sowie der Chefin von HateAid Anna-Lena von Hodenberg und Hajo Funke von der FU Berlin teil. Im Vorstand sitzen unter anderem Roland Berger, Karl-Theodor zu Guttenberg und Wolfgang Ischinger.

Finanzierung der Anti-„Haß“-Projekte des ISD:

BMJ: 884.118 Euro (2021-2023); EU-Kommission 5,35 Millionen Euro (2022); US-Außenministerium 5,9 Millionen US-Dollar (2018-2023); OSF: 2,6 Millionen US-Dollar (2017-2021). Weitere Finaziers: Gates, Omidyar, Hertie, Mercator, Bosch, Auswärtiges Amt, Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Facebook, Google, Microsoft, Spotify, YouTube, US-Heimatschutzministerium.

Amadeu-Antonio-Stiftung

Die 1998 von der ehemaligen Stasi-Informantin Anetta Kahane gegründete Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) instrumentalisiert den Antisemitismusbegriff und verunglimpft Corona-Maßnahmenkritiker ohne Beweise als Antisemiten.

Die AAS gründete mit der Stiftung der Wochenzeitung Die Zeit das „Netz gegen Nazis“, woraus 2017 die Webseite „Belltower News“ wurde. Es betreibt in Jena das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) von Matthias Quent, der häufig in öffentlichen Rundfunkanstalten als Experte für Radikalisierung auftritt. Das IDZ verfaßte 2018 zusammen mit dem ISD eine Studie, die zu belegen versuchte, daß Islamfeindlichkeit Moslems radikalisiert. Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) und das Bildungsministerium Thüringen zahlten dafür. Die AAS wirkte 2021 am Bericht der EU „State of Hate: Far right extremism in Europe“ mit. Der AAS-Stiftungsrat Stephan J. Kramer leitet seit Dezember 2015 das Amt für Verfassungsschutz Thüringen.

Finanzierung der Anti-„Haß“-Projekte der AAS:

Bundesregierung: fast sechs Millionen Euro (2017–2022); BMJ: 744.000 Euro (2021–2023), Gelder für 2024 gestrichen; OSF: 563.587 US-Dollar (2019–2021); die EU: 250.000 Euro (2020)

Die AAS sammelte von 2008 bis 2014 6,2 Millionen Euro an Bundesmitteln, wie Rechtsanwalt Ansgar Neuhof recherchierte, von denen sie 1,3 Millionen Euro einsparte und 432.000 Euro an Darlehen für unbekannte Zwecke vergab.

Correctiv

2013 mit Geldern der Brost-Stiftung (Funke Medien) in Berlin gegründet. 2017 wählt Facebook Correctiv für sein deutsches „Fact-Checking“ aus und spendet seither. Weder Correctiv noch die ebenfalls beauftragte dpa gaben laut dem Medienmagazin Kressreport preis, wie viel Facebook zahlt. Experten schätzen eine halbe Million Euro jährlich. Das „Fact-Checking“ erledigt die gewinnorientierte Tochtergesellschaft, „Correctiv Verlag und Vertrieb für die Gesellschaft UG“. Der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg nannte es „das merkwürdigste Unternehmen Deutschlands“, das sowohl eine Wohltätigkeitsorganisation als auch gewinnorientiert ist. Geschäftsführer David Schraven sitzt sowohl der gemeinnützigen Organisation als auch der gewinnorientierten Tochter vor. Er erhielt von 2014 bis 2020 insgesamt 638.408 Euro. 2018 schätzte Schraven den Umsatz des gewinnorientierten Arms auf 552.000 Euro.

Finanzierung:

Bundesregierung: 102.176 Euro (2022); Auswärtiges Amt: 44.000 Euro (2020); Stadt Hamburg: 171.950 Euro (2017–2018); Nordrhein-Westfalen: 420.486 Euro (2016–2022); EU: 400.000 Euro (2021–2022); bpb: 209.294 Euro (2015–2018);  Deutsche Telekom: 320.000 Euro (2017–2020); Omidyar: 2,1 Millionen Euro (2018–2022); Mercator: 506.067 (2019–2022); OSF: 419.513,82 Euro (2016–2021); Facebook: 105.000 Euro (2017).

HateAid

Gegründet 2018 von Campact, Anna-Lena von Hodenberg (zuvor angestellt bei Campact) und Gerald Hensels Fearless Democracy e.V. in Hamburg. Campact stellt mit 50 Prozent den Hauptgesellschafter von HateAid. Jeweils 25 Prozent halten Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg und die Fearless Democracy e.V. Hensel ist ein ehemaliger Werbeleiter bei Scholz & Friends, die den Bundestagswahlkampf 2021 vom heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gestalteten. Hensel verlor seinen Job nach der Boykottkampagne „Kein Geld für rechts“ (2016). 2017 erhielt er Unterstützung der Open Society Foundations, von 

betterplace.org und dem ISD, um Fearless Democracy zu gründen. Hensel sprach 2017 in Malta zusammen mit dem damaligen Justitminister Heiko Maas (SPD) auf einer EU-Konferenz zum Thema „Hassrede im Internet“. Maas arbeite da gerade am NetzDG, das weltweit Schule machen wird.

HateAid finanzierte im November 2022 den Prozeß des „Antisemitismusbeauftragten“ von Baden-Württemberg, Michael Blume, (laut Wiesenthal-Center „Antisemit des Jahres 2021“) gegen den israelischen Journalisten Benjamin Weinthal mit dem Würzburger „Haß“-Anwalt Chan-jo Jun. Jun kündigte an, gegen Twitter wegen angeblicher Untätigkeit bei der Entfernung von dem, was dieser für „Haßrede“ hält, vorzugehen. Dieser Fall soll laut „t-online“ Grundlage der 50-Millionen-Euro-Klage des BMJs gegen Twitter sein.

Von Hodenberg nahm mit Innenministerin Faeser und Verfassungsschutzpräsident Haldenwang am 18. Verfassungsschutzsymposium teil (siehe ISD). Im Juli 2022 und 2023 sendet die deutsche Telekom 40sekündige Werbespots für HateAid vor der ARD-Tagesschau (Listenpreis von 89.200 Euro pro Ausstrahlung). Die Telekom schweigt dazu.

Finanzierung:

Familienministerium: 1,5 Millionen Euro (2021–2023); BMJ: eine Million Euro (2021–2023), Gelder für 2024 gestrichen; OSF: 150.000 US-Dollar an Campact 2021 „zur Stärkung von HateAid“. 

Betterplace Lab / NETTZ

Das NETTZ ist eine „Vernetzungsstelle“ der gemeinnützigen Betterplace Lab GmbH für „Aktivist*innen aus der Community der digitalen Zivilcourage“, die sich für eine „konstruktive, diskriminierungsfreie Diskurskultur einsetzen“. Betterplace beklagt sich über „die Desinformation, daß der Klimawandel nicht menschengemacht sei“.

Geschäftsführerin Hanna Gleiß war von 2009 bis 2017 Projektmanagerin bei der Robert-Bosch-Stiftung und 2018 Projekarbeiterin des ISD; daraufhin wurde die gemeinnützige Robert-Bosch-Stiftung zum Hauptgeldgeber ihrer NGO. Sie sprach 2019 mit Hannes Ley, Gründer der Facebook-Gruppe „Ich bin hier“ auf der Herbsttagung des BKA zu „Netzwerke gegen Haß und Extremismus im Internet stärken“.

Hanna Gleiß interviewte 2020 von Hodenberg von HateAid. Gleiß schrieb 2020 mit Sina Laubenstein für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung „Unboxing Hate Speech: Maßnahmen und Strategien zur Bekämpfung von Hate Speech auf europäischer Ebene – ein Überblick“. Die digitale Konferenz „Unboxing Hate Speech: Europäische Impulse für Respekt und Solidarität im Netz“ wurde 2020 von der Friedrich-Ebert-Stiftung mit Außenminister Maas, Justizministerin Christine Lambrecht (SPD), dem No Hate Speech Movement des Europäischen Rates, den Neuen deutschen Medinmachern (ndM) und Ley veranstaltet.

Das NETTZ vergibt jedes Jahr einen „Förderpreis“ (20.000 Euro). 2017 an Fearless Democracy zur Gründung von HateAid. 2018 an Ley. 2019 an die Satire-Aktion „Reconquista Internet“ des ZDF-Moderators Jan Böhmermann, die die Mutter der ermordeten Susanna Feldmann mobbte, weil sie eine Schweigeminute der AfD im Bundestag geteilt hatte. Zur Jury zählten unter anderem Simone Rafael der AAS und Quent vom IDZ. 

2019 sprachen der „Haß“-Anwalt Chan-jo Jun, Renate Künast (Grüne) und Anne Roth (Die Linke) auf dem „Community Event“ von Das NETTZ, ebenso wie Marie-Theresa Weber (Facebook) und Nina Morschhäuser (Twitter).

Das NETTZ hält Kontakt zum Counter Extremism Project (CEP), das gegen radikalen Islam und Antisemitismus eintritt. Das ist das einzige Beispiel einer nichtlinken NGO, die wir im gesamten deutschen „Zensurkomplex“ finden konnten.

Finanzierung: 

EU: 70.000 Euro für Betterplace Lab 2021, Robert-Bosch-Stiftung, Mercator-Stiftung, Zeit-Stiftung

Neue deutsche Medienmacher

Die Neuen deutschen Medienmacher e.V. (ndM) wurden 2008 von der Journalistin Ferda Ataman (siehe Seite 17) mitbegründet, um für „mehr Vielfalt“ in der Berichterstattung zu Migrationsthemen zu sorgen. Heute ist Ataman „unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung“ und verlieh 2022 als Jurymitglied 2,3 Millionen Euro von Kulturstaatssekretärin Claudia Roth an linke Mediengruppen, darunter ndM.

ndM ist deutscher Projektträger des No-Hate-Speech Network und wurde 2013 auf Initiative des Europarates und der EU gegründet.

Sina Laubenstein Medina leitete bei ndM das Projekt „Die Würde des Menschen ist unHaßbar – No Hate Speech“ und war für das „No Hate Speech Movement“ Deutschland zuständig, bevor sie zum ISD und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) wechselte.

Zum Nationalen Komitee des No Hate Speech Network gehören die AAS, Belltower, die Anti­Diskriminierungsstelle des Bundes (ADS), das Auswärtige Amt, das Familienministerium, Bundesvereinigung Trans*, bpb, Campact, Das NETTZ, „de.hate“, Bundesjugendring, HateAid, Schule ohne Rassismus, Sozialhelden, die Zeit-Stiftung und Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V., sowie Muslimbrüder-nahe NGO wie die Muslimische Jugend in Deutschland (MJD). Das Muslimbrüder-nahe Forum of European Muslim Youth and Student Organizations (FEMYSO) war ebenfalls „tief involviertes“ Mitglied des No Hate Speech Network. Die Seite war bis zum 28. Mai 2023 online.

Finanzierung:

Bundesregierung: 8,2 Millionen Euro (2016–2022); Familienministerium: eine Million Euro (2020–2022); EU: 30.000 Euro (2019); Open Society Foundations OSF: 100.712 US-Dollar (2017), 186.029 US-Dollar (2020).