© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/23 / 25. August 2023

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der mächtigste König im Luftrevier
Christian Vollradt

Der Pannenflieger von Abu Dhabi ist zwar längst wieder zu seiner Heimatbasis auf dem Flughafen Köln/Bonn zurückgekehrt, doch der Ärger über die Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums ist längst noch nicht verflogen. Mögen die Landeklappen, derentwegen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ihre geplante Reise nach Australien und Ozeanien abbrechen mußte (JF 34/23), wieder intakt sein, der politische Schaden im Berliner Regierungsviertel ist noch längst nicht behoben. Vielleicht liegt es auch am Sommerloch, daß diese Turbulenzen nachhaltig wirken. 

Fest steht: Der Unglücksrabe wird schneller als geplant ausgemustert. Hatte dieser Airbus A-340 schließlich schon einmal die damalige Kanzlerin in Verlegenheit gebracht, als sie wegen des kompletten Ausfalls der Funkanlage dieser Regierungsmaschine 2018 den Auftakt des G20-Gipfels in Buenos Aires verpaßt hatte. Schlagzeilen machten solche Pannen immer wieder. 2019 konnte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nicht von Äthiopien nach Berlin zurückfliegen, weil der Airbus „Theodor Heuss“ defekt war. Das Archiv des Bundestags liefert beim Suchbegriff Flugbereitschaft eine ganze Reihe von Treffern. Immer wieder erkundigten sich Abgeordnete teils sorgenvoll, teils peinlich berührt nach dem Zustand der „Weißen Flotte“. 

Daß die trotz aller  einzelnen Störfälle kein Bild des Jammers abgibt, wird das Verteidigungsministerium nicht müde zu betonen. Eine Untersuchung der Flüge von November 2020 bis jetzt habe eine Zuverlässigkeit von mehr als 95 Prozent ergeben, so eine Sprecherin. 2019 gab das Verteidigungsministerium sogar an, die Ausfallrate aller Missionen habe im Durchschnitt bei unter zwei Prozent gelegen. 

Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit hob diese Woche noch einmal hervor, die Flugbereitschaft sei „eine sehr zuverlässige und wichtige Einheit“. Zudem könne man weitere Verbesserungen bald erwarten. Denn während die nun aufs Altenteil abgeschobenen vierstrahligen Maschinen einst gebraucht von Luftfahrtunternehmen erworben wurden und quasi „second hand“ seien, stünden der Bundesregierung „drei nagelneue A350-Flugzeuge“ zur Verfügung, „ein echtes Plus“ in Sachen Zuverlässigkeit. Einziger Wehrmutstropfen: Ein Teil der modernen Zweistrahler befindet sich noch „in der Einrüstung, also in der Umrüstung für die Bedürfnisse der Bundesregierung“.

Hinter den Kulissen schwelt jedoch noch ein ganz anderer Kleinkrieg, bei dem es um protokollarische Eifersüchteleien geht: Wer hat wann Zugriff auf welche Maschine? Ober sticht unter. Konkret hat bei den großen Jets der Bundespräsident das Erstzugriffsrecht, dann gemäß Rangordnung der Verfassungsorgane die Bundestagspräsidentin, der Bundesratspräsident und dann der Kanzler. Baerbock, obwohl von Amts wegen häufiger in der Welt unterwegs, muß sich also hinten anstellen. Eher unfreiwillig könnte die Außenministerin einlösen, was einer ihrer früheren Sprecher mal angekündigt hatte: nämlich möglichst viel per Linie zu fliegen.