Upahl könnte eine Mecklenburger Vorzeigegemeinde sein: Eigenheime, Siedlungshäuser und gepflegte Vorgärten. Im flachen Land drehen sich die Windenergieanlagen des Bürgerwindparks Groß Pravtshagen. Es gibt ein prosperierendes Gewerbegebiet mit hochmoderner Instantkaffeefabrik, Molkerei, Gummifabrik, Transportbetonanlage, einem Lack- und Karosseriezentrum. Die Zeichen stehen auf Fortschritt.
Die 500 Einwohner, vertreten durch die Wählergemeinschaft Upahl, hätten auch Asylbewerber aufgenommen. Ein Dutzend vielleicht, erzählt ein Ortsansässiger. Aber nicht 400, wie es die rot-rote Landesregierung in Schwerin beschlossen und der zuständige Landrat des Kreises Nordwestmecklenburg, Tino Schomann, abgenickt hat. Wider besseres Wissen und sehenden Auges. Denn der CDU-Politiker räumte ein, daß ihm die Ängste der Menschen in dem kleinen Ort sehr wohl bewußt sind (JF 7/23). Auch sei das Verfahren „seinerzeit nicht gut, nicht glücklich, aber notwendig“ gewesen, „um die Container reservieren zu können“.
200 Container, sechs mal zwei Meter groß. Vergangene Woche wurden die ersten geliefert und in einem abgezäunten Teil des Gewerbegebiets aufgestellt, etwa 700 Meter vom Ortskern Upahls entfernt. „Wir arbeiten auf Hochtouren“, versichert der Landrat, der angesichts des neuen Schuljahres die zur Unterbringung von Asylanten zweckentfremdeten Sporthallen in Wismar frei haben will. Ende September sollen die Container einzugsfertig sein. 125 werden es letztlich sein, plus Sanitär-, Küchen- und Verwaltungseinheiten, denn mit ihren massiven Protesten haben die Einwohner einen Teilerfolg errungen. Die Zahl der aufzunehmenden Fremden wurde auf 250 reduziert.
Trotzdem haben die Upahler verloren. Die juristische Auseinandersetzung mit dem Landkreis und das Vertrauen in den Rechtsstaat. Zwar war es erst gelungen, die bereits laufenden Bauarbeiten für die umstrittene Unterkunft durch eine Änderung der Bauordnung gerichtlich zu stoppen – es fehlte der Bauantrag des Kreises –, dann aber setzte nach einem Streit zwischen Innenministerium und Kreisverwaltung das für Baumaßnahmen zuständige Ministerium in Schwerin durch, daß die Bauaufsichtsbehörde die Genehmigung für die Container zu erteilen habe. Die zweimonatige Zwangspause war zu Ende.
„Wir vermissen Demokratie“ steht auf einem Bettlaken an einem Zaun. Zwar sind die Proteste nach acht Monaten Kampf und einer turbulenten Kreistagssitzung in Grevesmühlen leiser geworden, aber der Unmut ist weiterhin groß. Upahl sei zum Symbol dafür geworden, was in Deutschland in punkto Asyl politisch schiefläuft, sagte der Landrat und vergaß zu erwähnen, daß er nichts dazu beigetragen hat, den Einwohnern den Rücken zu stärken. Statt dessen verspricht er zu helfen, wenn es Probleme geben sollte.
Er könne sich vorstellen, die Busverbindung zu verbessern, auch damit die künftigen Neu-Bewohner leichter zum Einkaufen ins fünf Kilometer entfernte Grevesmühlen gelangen. Denn das einstige Bauerndorf Upahl besitzt weder Kneipe noch Kirche, Schule, Park oder Supermarkt.