© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/23 / 18. August 2023

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Gelegentlich muß sich auch der Antikolonialismus seinen inneren Widersprüchen stellen. So im Fall Ägyptens, das gemeinhin als Teil des „globalen Südens“ gilt und zweifellos ein Teil des afrikanischen Kontinents ist, wo aber zurzeit erheblicher Unmut über den sogenannten „Afrozentrismus“ Platz greift. Denn der behauptet nicht nur, daß praktisch jede Hochkultur auf den schwarzen Mann oder die schwarze Frau zurückgeht, sondern auch, daß die Südküste des Mittelmeers ursprünglich von Schwarzen bewohnt wurde, die dann von – weißen – Berbern vertrieben oder ausgerottet wurden. Zu den Konsequenzen dieses phantasievollen Narrativs gehört weiter, daß dunkelhäutige Menschen das Reich der Pyramiden geschaffen haben sollen. Eine Interpretation, die in Ägypten auf entschiedenen Widerspruch trifft, wo man deshalb schon gereizt auf die Netflix-Produktion „Kleopatra“ reagiert, die die berühmte antike Pharaonin – gegen jede historische Wahrscheinlichkeit – als Farbige präsentiert. Folgenschwerer dürfte allerdings der Eklat sein, den das niederländische Reichsmuseum der Altertümer in Leiden provoziert hat. Dessen Ausstellung „Kemet“ sollte sich eigentlich mit dem Einfluß von Bildern des antiken Ägypten auf schwarze Künstler der Gegenwart befassen, wurde aber von der ägyptischen Regierung als Teil eines „afrozentrischen“ Projekts verstanden, das die Geschichte ihres Landes als Ergebnis schwarzer Entwicklungshilfe präsentiert. Auf die Kritik reagierten die Verantwortlichen des Museums prompt mit der Feststellung, daß man es offenbar mit einem „Wiederaufleben des Rassismus gegen Schwarze in Ägypten“ zu tun habe und verbat sich jede Einmischung. Woraufhin Kairo seinerseits entschieden hat, weitere Grabungen durch niederländische Archäologen zu verbieten.

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Es ist doch aufschlußreich, welcher argumentative Eiertanz aufgeführt wird, um Argumente zu finden, die es erlauben sollen, öffentliche Koran-Verbrennungen zu unterbinden. Von den Errungenschaften der „Fundamentalliberalisierung“ (Habermas dixit), der wir auch den Fall des Blasphemie-Verbots zu danken haben, spricht keiner mehr, so wenig wie von der Notwendigkeit, Tabus zu brechen, vom Recht auf Provokation und drastische, selbstverständlich auch religiöse Gefühle verletzende, Meinungsäußerung. Wahrscheinlich ist die Erklärung dafür sehr einfach: Der Mut der Lästerer und Bilderstürmer von ehedem war keiner. Sie rannten lediglich offene Türen ein und mußten nie Sorge haben, daß Christen die Ehre ihres Gottes gewaltsam verteidigen würden. Anders als Muslime.

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In einer Welt, in der die Mediengewaltigen ihre notorische Parteilichkeit als „nie ideologisch“ (Georg Restle, Chefredakteur des WDR-Magazins „Monitor“) deklarieren, geht es nicht mehr um Perspektivverzerrung, sondern um Verblendung.

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Zu den Rätseln der Theodizee gehört, warum sich so reiche Erdölvorkommen unter dem Boden muslimischer Staaten befinden.

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Noch sind es eher Leute aus der zweiten Reihe des Establishments – der WDR-Redakteur Jean-Philippe Kindler oder der „Seenotretter“ Andreas Steier –, die offen mit dem demokratischen Prinzip brechen und Tagträumen nachhängen, in denen nur sie und ihresgleichen das Sagen haben und jede politische Konkurrenz unschädlich gemacht ist. Man sollte das aber als Indiz nehmen. Unmut über den Eigensinn des „großen Lümmels“ Volk, der sich partout nicht geschlossen hinter ihren Ziele sammeln will, ist typisch für alle Doktrinäre. Einst vollzog Hitler denselben Schritt wie Kindler oder Steier, als er aus Frustration über die Deutschen die einzige inhaltliche Korrektur von „Mein Kampf“ vornahm und den Grundsatz der „germanischen Demokratie“ durch den des „Führerprinzips“ ersetzte.

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„Ich bin auch gegen Wokeismus und Gender-Gaga. Aber noch viel entschiedener gegen den Massenmörder und Kriegsverbrecher Putin und gegen alle, die ihn unterstützen und am liebsten ins Land holen wollen.“ (Arnold Vaatz, CDU-Politiker, im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. August) 

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Zu denjenigen, die zuletzt in die Ehrenlegion aufgenommen oder in deren Reihen promoviert wurden, gehört der indische Ministerpräsident Narendra Modi, der nun das Großkreuz tragen darf. Die Verleihung war zweifellos ein diplomatischer Akt. Etwas anders liegt der Fall des ehemaligen französischen Kultusminister Frédéric Mitterrand, der trotz seiner Begeisterung für thailändische Schwulenbordelle von Sarkozy im Amt gehalten wurde, und dem nun der Titel eines Offizier verliehen wurde. Darin dürfte man, wenn schon kein Bekenntnis zur LGBQTI-Lobby, dann doch zum Zusammenhalt der Oligarchie sehen. Bleibt als Lichtblick nur, daß auch Henri d’Anselme zukünftig die rote Rosette am Revers tragen darf. Es handelt sich um den „Helden mit dem Rucksack“, also jenen jungen Mann, der durch sein beherztes Eingreifen in Annécy einen syrischen Attentäter hindern konnte, seine Angriffe fortzusetzen, bei denen er bereits sechs Personen, darunter vier Kinder, mit einem Messer schwer verletzt hatte.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 1. September in der JF-Ausgabe 36/23.