Robert De Niro gilt Kinogängern und Filmkritikern gleichermaßen als lebende Legende. Und lebende Legenden erkennt man daran, daß ihnen schon zu Lebzeiten Pop-Hymnen gewidmet werden. Für den US-Schauspieler haben das bereits 1984 die Mädels der Popgruppe Bananarama mit ihrem Hit „Robert De Niro’s Waiting“ erledigt. Meisterwerke wie „Der Pate II“, „Es war einmal in Amerika“ oder „Taxi Driver“ haben den Mimen unsterblich gemacht. Am Donnerstag dieser Woche nun kann er seinen achtzigsten Geburtstag feiern.
Das düstere Desillusioniertendrama über einen Taxifahrer im New Yorker Großstadtdschungel, der langsam durchdreht, ist die zweite Zusammenarbeit zweier Filmgenies, die einander kraft ihrer künstlerischen Symbiose in den Filmolymp katapultierten: Darsteller De Niro und Regisseur Martin Scorsese.
Kurios: Beide wuchsen in der New Yorker Greenwich Village auf, nur ein paar Häuserblocks voneinander entfernt, beide Familien haben italienische Wurzeln, vielleicht sind sie sich im selben Gemüseladen oder auf der Straße begegnet. Robert De Niros Vater war ein bekannter abstrakt-expressionistischer Maler. Auf jeden Fall kannten sich die fast gleichaltrigen Männer vom Sehen, als der Filmregisseur Brian De Palma sie 1972 auf einem Empfang offiziell miteinander bekannt machte. Eine Bekanntschaft mit Folgen, die die internationale Filmkunst bis heute prägen: Mit dem harten Gangsterfilm „Hexenkessel“ (1973), ihrem ersten gemeinsamen Projekt, setzten sie bereits ein Jahr später ein erstes Ausrufezeichen. Soeben haben die beiden Kino-Großkaliber ihren zehnten Film „Killers of the Flower Moon“ zusammen abgedreht. Er soll am 19. Oktober in die Kinos kommen.
Für „Taxi Driver“ war der damals 34jährige De Niro 1977 für seinen zweiten Oscar nominiert. Er gewann ihn schließlich 1981 als Hauptdarsteller in dem wuchtigen Boxerporträt „Wie ein wilder Stier“, dem vierten gemeinsamen Film, für den Scorsese auch als Regisseur nominiert war. Ein schwer errungener Triumph: Für die Rolle des Box-Schwergewichts Jake LaMotta nahm der Schauspieler mehr als dreißig Kilo zu.
Meryl Streep bezeichnete er als seine liebste Filmpartnerin
Den ersten Goldbuben hatte er 1975 für den Part des jungen Vito Corleone in Francis Ford Coppolas zweitem „Paten“-Film eingeheimst. Die Sequenz, in der De Niro als Nachwuchs-Mafioso über die Dächer flitzt, um unentdeckt sein blutiges Geschäft zu verrichten, gehört zu den ganz großen Momenten der Filmgeschichte und trug dazu bei, daß binnen zwei Jahren zwei verschiedene Schauspieler für dieselbe Figur mit dem Oscar ausgezeichnet wurden: Marlon Brando 1973 für den alten, De Niro zwei Jahre später für den jungen Vito Corleone.
Weitere Nominierungen als Hauptdarsteller erhielt De Niro für „Kap der Angst“ (1991), Scorseses Neuinszenierung des Klassikers „Ein Köder für die Bestie“ (1962) mit Robert Mitchum über den Rachefeldzug eines entlassenen Schwerverbrechers, „Zeit des Erwachens“ (1990), die berührende Geschichte einer Gruppe chronisch Kranker, die infolge einer experimentellen Behandlung eine Art Wunderheilung erleben, und für das Vietnamkriegsdrama „Die durch die Hölle gehen“, den großen Oscar-Abräumer des Jahres 1979. Meryl Streep, bei deren Aufstieg zur bekanntesten Charakterdarstellerin ihrer Generation er durch seine Mitwirkung an dem Kriegsepos Pate stand, bezeichnete der zweifache Oscar-Preisträger als seine liebste Filmpartnerin. In „Die durch die Hölle gehen“ suchen beide verzweifelt Trost in einer flüchtigen Affäre. Und weil’s so schön war, machte der Regisseur Ulu Grosbard mit seinem Liebesfilm „Der Liebe verfallen“ (1984) aus dem, was in dem Drama über Kriegstrauma und Folterqual nur eine Nebenhandlung war, die Hauptsache: Zwei Verheiratete (De Niro und Streep), die sich zufällig im Zug treffen, sind auf total irrationale Weise voneinander hingerissen.
Sein Privatleben schirmt er vor der Öffentlichkeit konsequent ab
Als „King of Comedy“ trat der gefragte Charakterdarsteller lange Zeit nicht in Erscheinung, obwohl der Titel von Martin Scorseses gleichnamigem Film aus dem Jahr 1982 über einen Möchtegern-Unterhaltungskünstler mit Selbstwahrnehmungsstörung Entsprechendes verhieß. Um so überraschender war der große Erfolg der Komödie „Reine Nervensache“ (1999), in der der Vielfilmer gekonnt sein Image aus Filmen wie „Der Pate II“, „Heat“ (1995), „Casino“ (1995) oder „Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“ (1990) ironisierte. Der zwielichtige Halbwelt-Ganove und Mafia-Pate – hier sah man ihn als Gangster in der Psychokrise, ein Motiv, das parallel die legendäre HBO-Produktion „Die Sopranos“ zu Erfolg in Serie führte.
Noch größer war der Erfolg des siebenfachen Vaters und zweimal Verheirateten mit der Generationen-Posse „Meine Braut, ihr Vater und ich“ (2000), das abermals De Niros Harter-Hund-Image als Schatzgrube für parodistische Pointen ausbeutete. Die drei Komödien der Schwiegervater-Reihe – 2004 und 2010 folgten Nachziehnummern – wurden zu den größten kommerziellen Erfolgen des Künstlersohns aus Manhattan, einzig übertrumpft noch durch den „Batman“-Ableger „Joker“ (2019), in dem Joaquin Phoenix der „King of Comedy“ war. De Niro glänzte in einer Nebenrolle. Das stellt das Lebenswerk des begnadeten Schauspielers zwar etwas auf den Kopf, ist aber natürlich der einfachen Tatsache geschuldet, daß junge Leute Kassenschlager machen. Und die lieben Superhelden und Komödien.
Zweimal führte der Mann mit dem schiefen Grinsen, der sein Privatleben konsequent vor der Öffentlichkeit abschirmt, selbst Regie: „In den Straßen der Bronx“ (1993) und „Der gute Hirte“ (2006) bekamen gute Kritiken; vor allem der zweite Film war auch ein kommerzieller Erfolg. Trotzdem scheint sich De Niro, inzwischen erholt von einer Prostatakrebserkrankung, immer noch am wohlsten zu fühlen, wenn er sich der Regie des knapp ein Jahr älteren Martin Scorsese anvertrauen kann. Nach der Netflix-Produktion „The Irishman“ (2019), der neunten gemeinsamen Arbeit der beiden Filmtitanen, deren Karrieren so eng miteinander verknüpft sind, wird nun die Kriminalgeschichte „Killers of the Flower Moon“ mit Spannung erwartet. Es ist Scorseses zweites monumentales Epos in Folge für einen Streamingdienst. Diesmal mit an Bord: der Apple-Konzern.
Die jüngste Gemeinschaftsproduktion der beiden New Yorker arbeitet eine Serie grausiger Morde an Angehörigen des Indianerstamms der Osagen während der zwanziger Jahre in Oklahoma auf. De Niro spielt William Hale, den mutmaßlichen Drahtzieher, der hinter den Verbrechen steckt. Als Mitwirkender in einem Dreieinhalb-Stunden-Opus wird der Darsteller mit den italienisch-holländischen Wurzeln einmal mehr seinem Ruf als Mann für gedehnte Stunden gerecht: Wer sonst war so oft in Filmen mit gewaltiger Überlänge zu sehen? Auf über fünf Stunden brachte es 1976 bereits De Niros vierter großer Film, Bernardo Bertoluccis „1900“, ein Historienepos über Aufstieg und Fall der italienischen Faschisten.
De-Niro-Fans müssen also oft geduldig ausharren. Übrigens auch die jungen Damen von Bananarama. De Niro fühlte sich durch deren Lied über ihn so geschmeichelt, daß er die drei britischen Sängerinnen gern persönlich kennenlernen wollte. Aber beim Warten auf die Begegnung mit dem von ihnen Besungenen sollen die Interpretinnen von „Robert De Niro’s Waiting“ so nervös geworden sein, daß sie hagelvoll waren, als die Leinwandlegende schließlich eintraf
Shawn Levy: Robert De Niro. Ein Leben. Fischer/Krüger, Frankfurt am Main 2015, gebunden, 672 Seiten, Bildteil, 26,99 Euro