© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/23 / 18. August 2023

Die Kaufkraft schmilzt dahin
EZB-Geldpolitik: Die Kreditzinsen bei Banken und Sparkassen steigen kontinuierlich an / Euro-Sparer erleiden weiterhin empfindliche Verluste
Christian Schreiber

Infolge der hohen Inflation hat die EZB ihren Leitzins auf 4,25 Prozent angehoben. Wollen Banken ihr Geld dort parken, bekommen sie jetzt 3,75 Prozent Zinsen. Die neunte Zinserhöhung seit Juli 2022 spüren Kreditnehmer längst. Die Bauzinsen haben sich seit Januar 2022 von knapp einem auf etwa vier Prozent erhöht. Die Sparer hingegen müssen weiter mit Verlusten leben: 6,2 Prozent Inflation vermeldete das Statistische Bundesamt – nach EU-Berechnung (Harmonisierter Verbraucherpreisindex) waren es sogar 6,5 Prozent.

Viele Banken gewähren derzeit aber kaum zwei Prozent Zins auf eine Geldanlage. Das Spargeld wird Monat für Monat weniger wert. Manche Banken geben die gestiegenen EZB-Zinsen nur teilweise oder manchmal auch gar nicht an die Kunden weiter. Die Zinserhöhungen im Kreditgeschäft wurden hingegen umgehend auf neue Kredite angewendet. Im Juli gab jede fünfte Bank in Deutschland überhaupt keine Zinsen aufs Tagesgeld, wie eine Auswertung des Vergleichsportals Verivox unter 738 Finanzinstituten belegt.

Ausländische Geldhäuser bieten derzeit bessere Konditionen

Nullzinsen auf Tagesgeldkonten sind vor allem unter regional tätigen Geldhäusern noch weit verbreitet: Von 350 Genossenschaftsbanken weisen 80 für eine Anlagesumme von 10.000 Euro einen Tagesgeldzins von 0,00 Prozent aus. Bei den Sparkassen gehen Tagesgeldanleger bei 58 von 309 Instituten leer aus. „Besonders bei Sparkassen, die einen öffentlichen Auftrag haben, ist das problematisch“, erklärte Merten Larisch von der Verbraucherzentrale Bayern in der Wirtschaftswoche. Auch die Bundesbank erwähnte kürzlich in einem Bericht, daß die Zinsweitergabe noch langsamer als in der Vergangenheit verlaufe. Die Verivox-Experten empfehlen daher, sich bei einer Geldanlage Zeit zu nehmen und notfalls auch Angebote außerhalb der Hausbank anzunehmen. „Bei den bundesweit verfügbaren Angeboten profitieren Sparer vom schärferen Wettbewerb unter den Markteilnehmern“, erläutert Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier.

Ohnehin ist die Geldanlage derzeit nicht unbedingt ein lukratives Geschäft. Der Realzins – der Zins für Spareinlagen nach Abzug der Inflationsrate – liegt bei bundesweit verfügbaren Tagesgeldangeboten im Schnitt bei minus 4,81 Prozent. „Wer vor der Anlageentscheidung Angebote vergleicht, kann Kaufkraftverluste zwar nicht gänzlich vermeiden, aber doch spürbar begrenzen.“

Das ist unter dem Strich ein schwacher Trost. Doch auch die Dividendenrenditen der deutschen Top-100-Aktien liegen zu 90 Prozent noch unter der Inflationsrate. Die besten Tagesgeld-Konditionen bieten derzeit vor allem die deutschen Ableger ausländischer Banken wie die Consorsbank (BNP Paribas/Frankreich), die ING-DiBa (Niederlande), die TF Bank (Schweden) oder Santander (Spanien). Sie zahlen zwischen 3,7 und 3,5 Prozent Zinsen. Bei der DKB (Tochter der Bayerischen Landesbank) oder der Comdirect (Commerzbank) gibt es zwischen 3,25 und 3,5 Prozent. Ausländische 

Kreditinstitute offerieren teilweise noch höhere Zinsen. Doch viele Sparer scheuen den Schritt ins Ausland.

Gerade ältere Sparer sind teilweise seit Jahrzehnten mit den regionalen Sparkassen und Volksbanken verbunden. Gerade die tun sich derzeit mit besonderer Trägheit in Sachen Zinsanpassung hervor. Das zeigt Wirkung. Ihre Einlagenbestände sind im ersten Halbjahr 2023 erstmals seit langem wieder gefallen. Hauptgrund sind die „Lockangebote“ der bundes- oder europaweiten Konkurrenz. Festgeld, für das es bei zweijähriger Anlage schon 4,5 Prozent Zinsen gibt, ist allerdings nicht zu empfehlen: Die EZB wird mit ihren Zinserhöhungen wohl weitermachen.