© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/23 / 18. August 2023

Bruch-Landung
„Landshut“: Enttäuschung bei den Überlebenden über die Pläne für das bekannteste Relikt des „Deutschen Herbst“
Christian Vollradt

Das ist nun endlich geklärt: Die „Landshut“ bleibt in Friedrichshafen. Immerhin. Denn was ansonsten aus dem in Einzelteile zerlegten Flugzeug werden soll, das einst in Diensten der Lufthansa stand und durch die Entführung im Oktober 1977 sowie die anschließende Befreiung durch die deutsche Eliteeinheit GSG 9 in Somalias Hauptstadt Mogadischu berühmt wurde (JF 39/22), ist so klar noch nicht.

Das ist durchaus bemerkenswert. Denn bereits 2017 hatte der damalige Bundesaußenminister  Sigmar Gabriel (SPD) – mehr oder weniger im Alleingang – die demontierte Maschine mit zwei Frachtflugzeugen nach Deutschland zurückholen lassen. Bis dahin hatte die Anfang der achtziger Jahre bei der Lufthansa ausgemusterte Maschiene auf einem Flugfeld im brasilianischen Fortaleza im Freien vor sich hin gerottet, nachdem ihre letzte Eigentümerin pleite gegangen war. Trotz Warnungen vor möglichen Folgekosten hatte sich der SPD-Mann mit der „großen Version“, der kompletten Bergung, durchgesetzt. Alternativ hätte sich das Bonner Haus der Geschichte gern eine Tür der „Landshut“ gesichert, und die GSG 9 wollte ein Leitwerk an ihrem Standort in Sankt Augustin bei Bonn aufstellen. 

Am 13. Oktober 1977 hatte ein vierköpfiges Kommando der palästinensischen Terrororganisation PFLP den Lufthansa-Jet auf dem Flug von Mallorca nach Frankfurt entführt und die Freilassung der in Stuttgart-Stammheim inhaftierten Mitglieder der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) verlangt. Nach einer mehrtägigen Odyssee stürmte ein GSG 9-Kommando am 18. Oktober 1977 die „Landshut“ auf dem Flughafen von Mogadischu, befreite alle Geiseln und erschoß drei der Entführer (JF 42/17).  

Knapp sechs Jahre steht – oder besser liegt – die prominente Boeing 737 jetzt in einem Hangar auf dem Flughafen der Bodensee-Stadt, ohne daß die Öffentlichkeit etwas davon hat. Seitdem ist nicht viel bis gar nichts passiert. Gabriels ursprünglicher Plan, die „Landshut“ im Friedrichshafener Firmenmuseum des dort beheimateten Flugzeugbauers Dornier auszustellen, zerschlug sich, weil die Frage der Finanzierung zwischen den Museumsverantwortlichen und dem Auswärtigen Amt nicht einvernehmlich geklärt werden konnte. Weder für einen notwendigen Anbau noch den Unterhalt wollte der Bund Zusagen geben. 

Ungehört blieben auch die Wünsche einiger Zeitzeugen von damals, früherer Passagiere und ehemaliger Besatzungsmitglieder, aus dem Wrack eine museale Gedenkstätte für die Opfer des Terrors der „Roten Armee Fraktion“ und besonders des sogenannten Deutschen Herbstes 1977 zu machen. Als möglichen Standort konnte man sich den stillgelegten Flughafen Berlin-Tempelhof vorstellen – immerhin an zentraler Stelle in der deutschen Hauptstadt gelegen. 

Überlebende beklagt sich,  nicht beteiligt worden zu sein

Ende 2020 bekam dann die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) vom Bundestag den Auftrag, die „Landshut“ öffentlich zugänglich zu machen und „in einen Bildungskontext“ einzubinden. Die Bonner Behörde unter Leitung von Thomas Krüger (SPD) nennt die ehemalige Lufthansa-Maschine „ein zentrales historisches Objekt der jüngeren Zeitgeschichte“, das „auf vielfältige Art symbolisch aufgeladen“ sei. Entführung und anschließende Befreiung seien „mit ihren Medienbildern Teil des kollektiven Gedächtnis der alten Bundesrepublik Deutschland geworden“ und stünden „symbolisch für eine Wehrhaftigkeit der damals noch jungen Demokratie gegenüber extremistischen und terroristischen Bedrohungen von innen und außen“.

Reichlich unkonkret ist die Rede von einem „Lernort“, zu dem die „Landshut“ werden solle. Im Fokus sollten darin das „persönliche und mediale Erzählen“ über die Ereignisse im Herbst 1977 rücken und Fragen wie „Was kann uns die Geschichte der ‘Landshut’ über das Heute sagen?“ oder „Wieso wird dem Flugzeug eine so große symbolische Bedeutung zugesprochen?“ behandeln.

Im Auftrag der BpB hat nun die staatliche Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit der Firma Air Plus Maintenance GmbH einen Mietvertrag für eine Halle auf dem Flughafen in Friedrichshafen unterzeichnet, in der die „Landshut“ verbleiben soll, teilte die Bundeszentrale Anfang des Monats mit. Die direkt am Rollfeld liegende ehemalige Flugzeugwerft erfülle alle „Anforderungen für einen zeitgemäßen und teilhabeorientierten Lernort“. Noch stünden umfangreiche Umbaumaßnahmen an, die Eröffnung sei für das Jahr 2026 geplant.  Das wäre dann neun Jahre, nachdem die ehemalige Lufthansa-Boeing wieder in ihr Heimatland zurückkehrt. Medienberichten zufolge sollen wenigstens bereits ab kommendem Jahr Interessierte vor Ort einen Blick auf die Maschine werfen können. 

So schwammig der Begriff „Lernort“, so klar machte die Krüger-Behörde, was sie nicht vorhat: „Ausdrücklich nicht beabsichtigt ist die Rekonstruktion eines vermeintlichen ‘Originalzustandes’ des Jahres 1977, da dies sowohl aus didaktischer als auch aus restauratorischer Sicht lediglich Authentizität simulieren würde und je nach Präsentation sogar in Konflikt mit dem Überwältigungsverbot politischer und historischer Bildung stünde.“ Man wolle das Flugzeug also konservieren, nicht restaurieren. „Gleichwohl gilt es eine Lösung zu finden, die allen Zeit- und Bedeutungsschichten der Objektgeschichte“ gerecht werde. Dies sei „Teil eines komplexen wissenschaftlichen und didaktischen Konzeptionsprozesses“. Für typisch politische „Kopfgeburten“ hält das der Journalist und Buchautor Martin Rupps, ein Experte für das Schicksal der „Landshut“. Die, so meinte Rupps in der Welt, sei ein „Gegenstand, der betreten werden“ müsse. Nur wer die Enge spüre, könne nachvollziehen, „wie schlimm die Tage der Entführung für die Geiseln waren“, die bei Temperaturen von 40 Grad, ohne Klimaanlage und mit von Fäkalien verstopften Toiletten in dem Flieger ausharren mußten. Laut Rupps ist daher eine 2017 bereits verabredete Wiederherstellung des Originalzustandes dringend geboten.

Enttäuscht äußerte sich auch Gabriele von Lutzau. Die, die „den direkten Bezug zu dieser Maschine haben“, seien nicht gefragt worden, kritisierte die einstige „Landshut“-Stewardess, die nach der glücklichen Befreiung von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) für ihr couragiertes Handeln geehrt und ausgezeichnet worden war, auf der Plattform X (vormals Twitter). Erleichtert zeigte sie sich, daß wenigstens ein Gedenkort für den 1977 im Flugzeug von den palästinensichen Terroristen ermordeten Flugkapitän Jürgen Schumann eingeplant sei. Von Lutzau berichtete zudem empört, ein SPD-Funktionär habe ihr gegenüber geäußert, ein Museum des Deutschen Herbstes sei „nicht erwünscht, da es zum Walfahrtsort für Rechtsradikale werden könnte“. 

Das Bundesinnenministerium teilte dagegen vergangene Woche dazu mit, die BpB sei „mit Betroffenen der ‘Landshut’-Entführung im guten und fortwährenden Austausch“. Die Betroffenen würden „das Konzept eines Lernorts unterstützen“. Dieser werde „auch Elemente eines Museums aufweisen“. Die Entscheidung, das symbolträchtige Flugzeug in Friedrichshafen und damit im äußersten Südwesten und nicht an einem zentraleren Standort zu präsentieren, habe der Haushaltsausschuß des Bundestages getroffen.