Eigentlich mache sein Amt Spaß, bekannte der parteilose Ortsbürgermeister von Freisbach, Peter Gauweiler. Auch alle anderen Ehrenamtlichen seien bisher gern Gemeinderäte in dem 1.200-Einwohner-Dorf in der Südpfalz. Nun aber taten sie etwas Ungeheures, das nicht nur bei den 250 Einwohnern, die sich im Beisein von Medienvertretern in der dringend sanierungsbedürftigen Sport- und Kulturhalle des Ortes versammelt hatten, für Aufsehen sorgte, sondern in der ganzen Republik: Alle 16 Räte, einer nach dem anderen, legten ihr Mandat nieder. Als letzter erklärte Gauweiler, seit 2004 im Amt, seinen Rücktritt. Die Begründung: „Wir können unser Mandat nicht mehr zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger ausüben.“
Seiner Gemeinde geht es wie mehr als tausend anderen in Rheinland-Pfalz. 54 Prozent der Kommunen können ihren Haushalt nicht ausgleichen. 280 haben einen Nothaushalt und dürfen keine freiwilligen Leistungen mehr erbringen. In Freisbach stehen 1,2 Millionen Euro Einnahmen einer Umlage an die Verbandsgemeinde Lingenfeld und den Kreis Germersheim von einer Million Euro gegenüber. Die verbleibenden 200.000 Euro reichen nicht einmal, um die Pflichtaufgaben zu erfüllen.
„Unser Rücktritt soll ein politisches Zeichen sein und ein Hilferuf – stellvertretend für alle Kommunen in Rheinland-Pfalz“, sagte Gauweiler. Man erhalte mehr und mehr Ankündigungen von Ortsbürgermeistern, bei der Kommunalwahl 2024 nicht wieder anzutreten, teilte der Städte- und Gemeindebund (GStB) Rheinland-Pfalz mit.
Die Situation ist Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bekannt, aber außer dem Ratschlag, die Steuern zu erhöhen, gab es von der Kommunalaufsicht keine Hilfe. Der Brandbrief „Kommunale Selbstverwaltung in Gefahr“, den die Verbandsgemeinde Hunsrück-Mittelrhein bereits im November vergangenen Jahres nach Mainz geschickt hatte, blieb folgenlos. Ebenso die roten Karten, die die Einwohner von Kerzenheim an Innenminister Michael Ebling (SPD) sendeten. Zuvor war der Hebesatz der Grundsteuer um tausend Prozent angehoben worden.
Ein Teil der Probleme in Freisbach und den anderen Gemeinden sind dem neuen Landesfinanzausgleichsgesetz und der Neuausrichtung der Kommunalaufsicht durch das rot-grün-gelb regierte Land geschuldet. Mainz will zwar kommunale Liquiditätskredite von drei Milliarden Euro der Kommunen übernehmen, aber „dieser historische Schuldenschnitt“ ist nicht „gleichbedeutend mit einem echten finanziellen Neustart für die betroffenen Kommunen“, wie das Ministerium behauptet, weil deren Pflichtausgaben – auch was die Kosten für Migranten betrifft – bleiben.
„Wenn wir nichts entscheiden dürfen und als Ehrenamtler nur rumsitzen, brauchen wir keinen Gemeinderat“, findet Gauweiler und hofft, das Innenministerium werde reagieren müssen, wenn andere dem Freisbacher Beispiel folgten. Dort werden nun 16 potentielle Nachrücker, die bereits kandidiert hatten, aber nicht gewählt wurden, angeschrieben. Lehnen die ab und kommt kein neuer Rat zustande, muß es eine Neuwahl geben.