Die Drohung ist eindeutig: „Es ist längst überfällig, die Partei und ihre handelnden Individuen entschlossen zu bekämpfen. Wir wollen ihnen gemeinsam mit euch die Räume streitig machen, in denen sie sich wie selbstverständlich bewegen, unbehelligt fühlen und in Sicherheit wähnen“, heißt es auf der Internetseite der linksextremen Antifa Frankfurt. Gemeint ist die AfD. Um die Drohung zu untermauern, hat die Antifa Anfang August die Privatadressen der 40 AfD-Kandidaten zur hessischen Landtagswahl am 8. Oktober auf einer Karte im Internet veröffentlicht. Versehen mit dem Aufruf, ihnen „auf militanter Weise begegnen, ihnen das Leben zur Hölle machen“.
Es ist nicht das erste Mal, daß Linksextremisten Ziellisten von AfD-Politikern ins Netz stellen, doch knapp zwei Monate vor der Wahl ist die Botschaft klar: Wir wissen, wo ihr wohnt. Für euch wird es keinen ruhigen Wahlkampf geben.
Solche Aktionen seien „im wörtlichen Sinne brandgefährlich“, sagte der Co-Landesvorsitzende der hessischen AfD, Andreas Lichert. Es fühle sich an, „als würde man für vogelfrei erklärt“. Hessens Innenminister Peter Beuth und Justizminister Roman Poseck (beide CDU) kritisierten die Aktion deutlich. Die Radikalisierung der politischen Ränder sei besorgniserregend, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Die Auseinandersetzung mit der AfD und ihren Repräsentanten muß mit politischen und friedlichen Mitteln geführt werden.“ Persönliche Bedrohungen seien der völlig falsche Weg. Der Rechtsstaat müsse auch Repräsentanten der AfD vor etwaigen Übergriffen schützen.
Faeser fiel früher durch fehlende Distanz zur Antifa auf
Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die für die SPD in Hessen als Spitzenkandidatin antritt, hingegen äußerte sich nicht persönlich zu dem Antifa-Pranger. Ein Ministeriumssprecher sagte auf Nachfrage in Berlin lediglich, Gewalt und Drohungen seien „niemals ein in irgendeiner Weise akzeptables Mittel einer politischen Auseinandersetzung“. Faesers Schweigen überrascht nicht, schließlich fiel die SPD-Politikerin in der Vergangenheit mehrfach durch mangelnde Distanz zur linksradikalen Szene auf. So posierte sie beispielsweise 2016 als hessische SPD-Generalsekretärin mit Mitgliedern der Antifaschistischen Bildungsinitiative Main-Taunus für ein gemeinsames Gruppenfoto. Eindeutige Parolen wie „Alerta Antifascista“ auf einzelnen T-Shirts der Abgelichteten schienen sie dabei nicht zu stören.
Als hessische SPD-Chefin hatte Faeser zudem 2021 einen Gastbeitrag in der linksradikalen Verbandszeitschrift antifa der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) veröffentlicht. Der bayerische Verfassungsschutz bescheinigt der Organisation, „mit offen linksextremistischen Kräften“ zusammenzuarbeiten. Als die JUNGE FREIHEIT ein Jahr später den Beitrag problematisierte – inzwischen war Faeser Bundesinnenministerin geworden –, distanzierte sich die SPD-Politikerin halbherzig von der Publikation und beklagte eine Kampagne gegen sich (JF 7/22).
Im Fall der nun veröffentlichten AfD-Adressen verhielten sich allerdings nicht alle Mitglieder der Bundesregierung so schweigsam wie Faeser. So schrieb Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf Twitter: „Der Gewaltaufruf der Antifa Frankfurt gegen KandidatInnen der noAfD geht gar nicht. Gewalt darf kein politisches Mittel sein.“
Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz gegen die Antifa. Es sei ein offizielles Ermittlungsverfahren von Amts wegen eingeleitet worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft laut Hessischem Rundfunk. Es gehe um den Verdacht „einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, eines gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten und der Volksverhetzung“. Ähnliche Verfahren wurden in der Vergangenheit jedoch zumeist ergebnislos eingestellt.
Doch nicht nur das dürfte dazu beitragen, daß sich Gruppierungen wie die Antifa Frankfurt weitgehend in Sicherheit wiegen. Hinzu kommt auch die Tatsache, daß radikale und militante Antifa-Organisationen immer wieder willkommene Partner im sogenannten „Kampf gegen Rechts“ sind und dabei Seit an Seit mit prominenten Politikern von SPD, Grüne und Linkspartei marschieren. Ein Beispiel hierfür ist das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“, das seit 2016 der AfD den Kampf angesagt hat. Zu den Unterstützern der Kampagne zählen mehrere linksextreme und vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppierungen wie die Interventionistische Linke (IL) oder die VVN-BdA.
Das hielt prominente Bundespolitiker von SPD, Grünen und Linkspartei allerdings nicht davon ab, ihren Namen unter den Gründungsaufruf von „Aufstehen gegen Rassismus“ zu setzen (JF 25/18). So finden sich dort beispielsweise Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner und der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch. Auch Cem Özdemirs Name steht bis heute auf der Unterstützerliste von „Aufstehen gegen Rassismus“. Fragen, ob militante Gruppierungen wie die Interventionistische Linke der richtige Partner im „Kampf gegen Rechts“ seien, ließ Özdemir in der Vergangenheit stets unbeantwortet. Möglicherweise führt der jüngste Gewaltaufruf der Antifa Frankfurt aber nun zu einem Umdenken bei dem Minister.