© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/23 / 18. August 2023

Jean-Philippe Kindler. Erneut bekennt sich ein öffentlich-rechtlicher Journalist offen zu extremistischen Positionen.
„Zur Hetze aufrufen“
Moritz Schwarz

Gerade erst hat Ex-SWR-Intendant Peter Voß den Öffentlich-Rechtlichen in einem FAZ-Beitrag eine beunruhigende „Skandaldichte“ attestiert, da fällt erneut ein Journalist auf – doch diesmal nicht „nur“ durch radikale, sondern offen antidemokratische Sprüche: Von der Bild-Zeitung gefragt, ob er auf dem Boden der Demokratie stehe, schrieb WDR-Moderator Jean-Philippe Kindler nun auf Instagram: „Ich verteidige kein System, welches Arme immer ärmer macht und in dem Konservative sich zu Steigbügelhaltern der Faschos machen.“ Doch anders als im Fall Böhmermann, dessen jüngste Titulierung der CDU per Twitter als „Nazis“ nicht nur von Voß kritisiert wurde, herrscht im Fall Kindler Schweigen. 

Dabei ist der 27jährige Duisburger kein Unbekannter. Bereits im Januar hatte er, ebenfalls auf Instagram, die „Scheißpartei“ CDU öffentlich „zum Feind“ sowie die politische Auseinandersetzung mit ihr für beendet erklärt und dazu aufgerufen, sie stattdessen „auf radikalste Weise zu bekämpfen“. Den von ihm selbst vorsorglich formulierten Einwand, damit verlasse er den Boden der Demokratie, beantwortete Kindler mit „Ja, das ist der Plan“ und bekannte offen: „Das ist Hetze, und dazu will ich aufrufen – ganz ohne Ironie!“ Deutlicher kann man eine antidemokratische Haltung wohl nicht zum Ausdruck bringen. Dennoch lehnte der WDR Konsequenzen ab – kein Wunder also, daß er sich auch nun nicht regt.

Der Fall Kindler markiert den fatalen Trend der Ausbreitung antidemokratischer Haltungen in unseren Medien.  

Wie schon bei Böhmermann wird auch bei Kindler gern darauf verwiesen, daß er Satiriker ist. Tatsächlich errang der Politologiestudent bereits mehrere Kabarett-Preise, wurde 2018 gar „Deutschsprachiger Meister im Poetry Slam“ und im Herbst startet seine neue Tour durch über fünfzig Städte, wobei die Auftritte in Köln, Düsseldorf und Berlin, obwohl noch Monate hin, bereits ausverkauft sind. Parallel zum Auftakt wird sein Buch „Scheiß auf Selflove, gib mir Klassenkampf. Eine neue Kapitalismuskritik“ bei Rowohlt erscheinen. Und sein früheres Programm „Deutschland umtopfen“ übertrug der öffentlich-rechtliche Fernsehsender 3Sat, das ZDF nahm es in seine Mediathek auf.  

Dabei gibt es in Kindlers Auftritten keine Trennung zwischen Kabarett und praktischer Politik. Weder geht es bei ihm um Humor, um Einsichten, menschliche Schwächen und wie wir uns im gesellschaftlichen Leben immer wieder verheddern, noch um klassisch linkes Kabarett als Kritik an den Verhältnissen, um diese zu verbessern. Vielmehr ist ihre Beseitigung das sich bei Kindler abzeichnende Ziel und Satire für ihn nur eine Form der Agitation – gegen den „Kapitalismus“, als dessen Agenten er gleichermaßen Nationalstaat, liberale Demokratie sowie alle nicht explizit linken Parteien sieht. Folglich bestehen seine Programme weitgehend nur aus dem Niedermachen des Gegners. Was ihm zwar einfallsreich gelingt, witzig aber ist das nur für ein Publikum, das seiner Stürmer-Logik etwas abgewinnen kann. 

Und nicht nur für den WDR ist Kindler kein Problem, auch für die Bundeszentrale für politische Bildung und das Goethe-Institut war er schon tätig. Wie der MDR-Redakteur, der jüngst zum Boykott des Landkreises Sonneberg aufrief, und die „Funk“-Redakteurin, die das Vorgehen von Klimaaktivisten gegen die Polizei begeisterte, markiert der Fall Kindler den fatalen Trend der Ausbreitung offen antidemokratischer Haltungen  in unseren öffentlich-rechtlichen Medien.