So nennt man sich hier selber: Saba, die unbefleckte Königin der nördlichen Kleinen Antillen. Karibik wie aus dem Bilderbuch. Sechs klitzekleine Örtchen, der Rest Natur. Romantische Tropen. Und doch mittendrin fast schon kitschige holländische Provinz, so wie die Nachbarinseln Sint Eustatius und das fernere Bonaire. Und King Kong war auch schon da, zumindest im Film: 1933 inspirierte die mystische Silhouette des Eilands Filmemacher zum gleichnamigen cineastischen Meisterwerk.
Doch keine Angst – trotz des grimmigen Monsteraffen und obwohl Saba einstmals die weithin gefürchteten, kriegerischen Arawak-Indianer behauste, ist es dort absolut ungefährlich. Plus: Wer schon immer mal wie ein Zucker-Baron wohnen wollte, der kann das hier ganz schamlos tun. Die Insel lockt mit äußerst originellen Unterkünften. Das Essen ist exotisch. Dazu gibt’s Omas hausgemachten Gewürz-Rum überall eher „unorthodox“ erhältlich. Verkehrssprachen sind Englisch, die Kreolsprache Papiamento und Niederländisch.
Einen Nationalpark gibt es an Land und im Wasser
Steil ragen Sabas abweisende Klippen aus der Tiefsee. Wellenumtost und hurrikangepeinigt. Der immer starke Seegang machte das Anlanden über Jahrhunderte zur Herausforderung. Der winzige Hafen ist eine Errungenschaft neuerer Zeit. Früher bootete man sowohl Waren wie auch Besucher auf hoher See aus. Über fast tausend steile, in den Stein gehauene Stufen mußte dann der einzige Aufstieg in das Hauptstädtchen „The Bottom“ bewältigt werden. Die anderen Siedlungen auf dem fast durchgängig gebirgigen Terrain konnten Unerschrockene nur über kräftezehrende Trampelpfade erreichen. Bevor ein per Fernkurs zum Architekten mutierter Insulaner in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts den Bau einer rund elf Kilometer langen Straße in Angriff nahm, besorgten erst Träger, später dann Mulis den Transport schwerer Lasten über die Berge. Die kürzeste Landepiste der Welt folgte in den Sechzigern. Gegen einen Niedergang im Mini-Flieger auf dem sparsamen Betonstreifen hoch überm Meer wirkt eine Verabredung mit King Kong geradezu wie ein Kaffeekränzchen. Nach der früheren Exponiertheit als Piratennest und Handelsplatz, ist das Inselchen mittlerweile aber wieder in einen Dornröschenschlaf verfallen.
Das ökologisch bewußte Lummerland ist zudem alles andere als massentourismustauglich. Es fehlen die Strände. Nachtleben gibt es kaum. Sauftourismus ist unbekannt. Hauptattraktion ist die Abgeschiedenheit, die majestätische Natur. Und die hat es in sich. Über 20 Wanderwege leiten Liebhaber durch schier traumhafte Kulissen. Vom primären Regenwald bis zu sonnenverdorrten Kaktushängen bietet Saba alles, womit Mittelamerikas Flora aufwarten kann. Dazu erwartet den Reisenden mit dem fast immer wolkenverhangenen Mount Scenery, der mit über 800 Metern – weit vor dem Vaalserberg nah der deutschen Grenze – höchste Berg der Niederlande. Er ist bedeckt von Farn- und Epiphyten-Wäldern. Sensationelle Ausblicke belohnen die schweißtreibenden Anstiege.
Einen Nationalpark gibt es nicht nur an Land, sondern auch im Wasser. Saba schmückt sich mit einem der größten Korallenriffe der Welt. Mit dem Ozean hatten die Menschen hier eh schon immer eine besondere Verbindung. Denn wer nicht vom benachbarten Sint Maarten aus mit dem Kleinflugzeug hineinschwebt, dem bleiben nur die beiden Fähren: ein schnittiger Katamaran oder das legendäre Heineken-Boot, benannt nach dem Werbeschriftzug auf seinem Rumpf. Hier eine Warnung: Auch trainierte Heineken-Anhänger sollten die rund einstündige Überfahrt besser nüchtern antreten. Die unerbittliche Dünung des Nordost-Passats hat schon manchen Passagier an den Rand des Freitods gebracht.
Saba muß man sich eben „erarbeiten“. Auf jeden Fall ist das pittoreske Pünktchen im azurblauen Meer mit seinen charmanten Niederlassungen, dem märchenhaften Dschungel, atemberaubenden Panoramaaussichten, den freundlichen 1.500 Bürgern und seinen unverschämt steilen Straßen vielleicht einer der letzten noch kaum geschliffenen Diamanten menschlicher Siedlungsgeschichte, dem man nur wünschen mag, daß niemand jemals Hand an ihn legt.