Bleibefreiheit. Die Philosophin Eva von Redecker, Jahrgang 1982, personifiziert perfekt den „woken“ Zeitgeist. Nichts, was den ausmacht, fehlt in ihrer Bio-Bibliographie: Angelehnt an die „Frankfurter Schule“ propagiert die von einem Biobauernhof bei Eckernförde stammende Feministin und „Fridays for Future“-Sympathisantin eine „Sozialtheorie radikalen Wandels“, lotet „queere Bedingungen zivilen Ungehorsams“ aus und „forscht“ als assoziiertes Mitglied des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der HU Berlin über den „autoritären Charakter“, der ihr als Erstunterzeichnerin der „halbtotalitären Fantasie“ (taz) des linksgrünen „Zero-Covid“-Aufrufs von 2020 nicht fremd sein dürfte. Auch ihr jüngstes Erzeugnis, das vom „Bleiberecht“ schwiemelt, auf der „Suche nach der erfüllten Zeit“ in zahllose persönliche Anekdoten zerfasert und offenbar nur dank des „unermeßlichen Beistands“ der engagierten Freundinnengruppe um Yelenah, Fulvia, Lea-Riccarda, Amira pp. sowie der „Lübecker Philosophinnengruppe“ zu Papier gebracht worden ist, ist purer Betroffenheitskitsch. Zusammengeklebt aus den Lesefrüchten jener Werke, die die Generation von Redecker geistig außer Form gebracht haben: Simone de Beauvoir, Judith Butler, Angela Davis, Catherine Keller sowie eine falsch verstandene Hannah Arendt. Zu empfehlen ist das Zeug, das immerhin einige passable Absätze zur Kritik des Transhumanismus bietet, lediglich als Quelle für spätere zeitdiagnostische Studien. (wm)
Eva von Redecker: Bleibefreiheit. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2023, gebunden, 159 Seiten, 18 Euro
Rote Christen. Die Geschichte der evangelischen Kirche in der DDR ist gut dokumentiert. Als weißen Fleck, der einer Aufarbeitung bedarf, bezeichnet der Politologe Peter Joachim Lapp allerdings den „Bund Evangelischer Pfarrer in der DDR“. Waren es „Deutsche Christen in Rot?“, fragt er schon im Titel seines Buches. „Das Christentum und die humanistischen Ziele des Sozialismus sind keine Gegensätze“, behauptete der Erste Sekretär des ZK der SED Walter Ulbricht und gründete 1958 den Bund. Seine „progressiven Geistlichen“ sollten der Kirche eine Neuorientierung verpassen, indem sie „das staatsbürgerliche Bewußtsein bei zahlreichen Geistlichen“ versuchten zu entwickeln. Dies allerdings mit nur geringem Erfolg. 1974 löste sich die Truppe auf. Die Infiltration der Kirchen ging aber weiter. Die jährlichen 180.000 Mark für den Bund wurden nun unter anderem in die Arbeitsgruppen „Christliche Kreise“ investiert. Ein spannendes Stück Kirchengeschichte, belegt mit vielen Dokumenten. (jw)
Peter Joachim Lapp: Deutsche Christen in Rot? Ulbrichts Pfarrerbund Dokumentation und Analyse.Helios Verlag, Aachen 2023, gebunden, 260 Seiten, 24,80 Euro