Eckart Conze hat erneut „Archive durchforstet“. Historisch interessierte kennen den Marburger Geschichtsprofessor vielleicht noch aus der Affäre um seine Mitarbeit am 2010 veröffentlichten Gutachten über das Auswärtige Amt. Vom grünen Außenminister Joschka Fischer beauftragt, brachten Conze und einige professorale Mitstreiter das bundesdeutsche Außenministerium darin in maximale Nähe zum Nationalsozialismus. Grundlage waren damals angebliche Archivfunde, die aber „an dem einen Tag“, an man sich ins Archiv des AA bemühte, weder gemacht wurden, noch gemacht werden konnten.
Heraus kam ein mit Bombast vorgestelltes Wunschergebnis, zusammenkopiert aus längst Bekanntem, neuen Unterstellungen und reiner Spekulation. Als Krönung der Fehlleistung wollte man den Beschluß zum Holocaust ebenfalls dem Auswärtigen Amt phantasievoll in die Schuhe schieben. Ergangen sei er bei einem Hitler-Ribbentrop-Treffen im September 1941, von dem es laut Conze et al. leider kein Protokoll gebe. Man fühlte sich also frei, einfach irgend etwas zu behaupten. Daß es bei diesem Treffen jedoch lediglich um die Frage ging, ob und wie die USA noch vom Kriegseintritt abzuhalten seien und kein Wort über Judenverfolgungen fiel, hätte man allerdings einer zu dieser Zeit längst veröffentlichten Quellenedition des Auswärtigen Amts entnehmen können. Zu deren Kenntnisnahme fand das hochbezahlte Team offenbar ebensowenig Zeit wie für die Archivarbeit. Peinlich war das, aber nicht peinlich genug, um im heutigen deutschen Wissenschaftsbetrieb aktuell Folgen zu haben. Das Erstellen von Gutachten über NS-Verstrickungen von Behörden und Firmen gehörte in den letzten Jahren weiterhin zu den gut bezahlten Geschäftszweigen des politkorrekten Historikertreibens.
Nun trifft es Alfried Krupp, dessen Haltung zum NS-Staat skandalisiert wird. Als Auftraggeber und Finanzier von Conzes Tätigkeit tritt diesmal die „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung“ auf. Natürlich geht es auch hier wieder um die nachträgliche Produktion von NS-Belastung aller Art, diesmal für den 1967 verstorbenen Namensgeber der Stiftung. Die Krupps wurden ob ihres symbolträchtigen und mit deutscher Rüstungsproduktion verbundenen Namens bekanntlich schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit von den Alliierten verfolgt. Unvergeßlich bleibt die ärgerliche Reaktion des Nürnberger US-Anklägers Jackson auf die Feststellung der Verhandlungsunfähigkeit des damals im Hauptprozeß angeklagten Gustav Krupp, mit dem „symbolisch“ die deutsche Industrie insgesamt in Haftung genommen werden sollte. Auch Alfried Krupp wurde später in einem der Nürnberger Nachfolgeprozesse angeklagt.
Es gibt unter diesen Umständen auch im Fall Krupp so wenig neu Belastendes zu finden wie seinerzeit im Auswärtigen Amt, sollte man also meinen. Gibt es auch nicht, liest man die nun von Conze erneut mit viel Lärm veröffentlichten Ergebnisse genau. Immerhin ist der Autor etwas vorsichtiger mit prüfbaren Behauptungen geworden. Auch auf direkte Nachfrage wollte Conze etwa im SWR-Interview kein einziges konkretes neues Ergebnis nennen. Er wich auf die angebliche Notwendigkeit von „permanenter Vergewisserung“ der NS-Zeit aus und auf „neue Fragestellungen“ – die er dann auch nicht nannte. Man habe aber „Erkenntnismöglichkeiten geschaffen“.
In einer Stellungnahme der auftraggebenden Stiftung heißt es vage: „Das von Prof. Dr. Eckart Conze geleitete Rechercheprojekt hat Quellen zutage gefördert, die Aufschluß über die Haltung von Alfried Krupp zum Nationalsozialismus geben könnten.“ Ob sie dies nun tatsächlich können, die Quellen, oder eben nicht, darauf gab es von der Stiftung keine Auskunft. Bezeichnenderweise fehlte auch das Wort „neu“ in diesem Satz. Die Stiftung will aber noch mehr investieren, und das alles soll dann zu einem ungenannten Zeitpunkt in eine auch englischsprachig geplante Publikation münden. Dies dient zweifelsfrei weniger der Forschung als der Imagepflege des Hauses.