Auffällig oft preist in letzter Zeit das politische Spitzenpersonal eines absteigenden Industriestaates und seiner zerfallenden Gesellschaft Entwicklungsländer als nachahmenswerte Vorbilder für die „Große Transformation“ der Bundesrepublik an. Schon 2018 versicherte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während eines Staatsbesuchs, die ökonomisch abgehängte, periodisch von Rassenunruhen erschütterte, zu den Top Ten mit der höchsten Kriminalitätsrate weltweit zählende „Regenbogennation Südafrika“ sollte die Deutschen zur Nachfolge „inspirieren“. Bundeskanzler Olaf Scholz empfing kürzlich den Premier des auf vorindustriellem Niveau verharrenden Himalaya-Kleinstaates Bhutan mit dem Lob, es sei „faszinierend“, wie dort die Wirtschaft um der Klimaneutralität und eines immateriellen „Bruttonationalglücks“ willen dem Umweltschutz untergeordnet werde. Und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) glaubt im bitterarmen, auf den Bürgerkrieg zutaumelnden Agrarstaat Kenia ihre Vision für eine CO2-freie Zukunft bereits verwirklicht. Neuerdings böte sich auch die südafrikanische Millionenstadt Johannesburg als Modell für die deutsche Wohnungsbaupolitik an. Dort herrsche, wie der Anthropologe Matthew Wilhelm-Solomon berichtet, seit langem chronische Wohnungsnot. Zehntausende Einheimische und Zuwanderer fänden wegen hoher Mieten keine regulären Wohnungen mehr in der Innenstadt. Zudem mußte das Verfassungsgericht die Stadt zwingen, Not-unterkünfte zu schaffen, für alle, die infolge von Räumungen obdachlos zu werden drohen (Welt-Sichten, 3/2023).