© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/23 / 11. August 2023

Keine Spur von „grüner“ Flugscham
Reisebranche: Lufthansa präsentiert gute Quartalszahlen / Weiter hohe Flugpreise wegen mangelnder Konkurrenz
Jörg Fischer

Die Luftfahrt ist mit insgesamt 800.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Doch die Corona-Krise stürzte die Branche weltweit für fast drei Jahre in eine Existenzkrise. Überall mußte der Staat eingreifen, um Pleiten oder feindliche Übernahmen zu verhindern. Die seit 1997 vollständig privatsierte Lufthansa AG wurde dabei mit neun Milliarden Euro an Staatshilfen und Garantien gestützt. Und es hat sich für die deutsche Volkswirtschaft und auch die Steuerzahler gelohnt: Die Kredite wurden vollständig zurückgezahlt.

Das zugeschossene Eigenkapital übernahmen schon voriges Jahr Finanzinvestoren. Der bundeseigene Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der über 300 Millionen Euro bereitgestellt hatte, verdiente am Verkauf seiner Lufthansa-Beteiligung sogar 760 Millionen Euro. Und trotz der im Januar auf bis zu 58 Euro pro Fluggast und Strecke angehobenen deutschen Luftverkehrabgabe und teurer Tickets lassen sich die Geschäftsreisenden und Urlauber nicht vom Fliegen abhalten: Die Nachfrage nach Flugreisen ist weiter im Aufwind – von grüner „Flugscham“ keine Spur.

Und die Lufthansa verbuchte zwischen April und Juni – bei 9,4 Milliarden Euro Umsatz – mit fast 1,1 Milliarden Euro sogar einen Rekordgewinn,  das Dreifache des coronageschädigten Vorjahres-quartals. Und Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr versprach auf der Quartalspressekonferenz für das Gesamtjahr 2023 sogar mehr als 2,6 Milliarden: „Damit wird das Ergebnis voraussichtlich eines der drei besten in der Geschichte der Lufthansa Group sein.“ Denn auch die Töchter Austrian, Brussels Airlines, Eurowings und Swiss sowie die Frachtsparte legten ordentlich zu. Die Nettokreditverschuldung ist mit 5,9 Milliarden Euro inzwischen sogar niedriger als vor Corona.

Radikal abgebaute Kapazitäten ermöglichen nun Sondergewinne

Die Zahl der Konzernbeschäftigten ist zwar bislang nur von 106.000 auf 115.000 gestiegen. Dafür kletterte die Zahl der Flüge im ersten Halbjahr von 370.000 auf 441.000. Und um die hohe Flugnachfrage zu befriedigen, wurden sogar „kerosinfressende“ vierstrahlige Maschinen wie der Airbus A340-600 und der „Doppeldecker“ A380 reaktiviert. Die coronabedingt radikal abgebauten Kapazitäten bei den großen westlichen Fluglinien hatten auch einen aus Sicht der Aktionäre willkommenen Effekt: Es konnten mangels Konkurrenz höhere Preise verlangt werden. Und die Lufthansa-Maschinen sind oft ausgebucht.

Die teilweise verdoppelten Preise Richtung Ostasien hatten allerdings einen anderen Grund: Westliche Fluglinien wie die Lufthansa können seit Frühjahr 2022 nicht mehr die kürzere Strecke über Rußland fliegen – der Umweg kostet Kerosin und Zeit. Da chinesische Airlines nicht davon betroffen sind, fliegen diese Sondergewinne ein. Auch Turkish Airlines und die staatlichen Golf-Fluglinien freuen sich nun über zusätzliche Passagiere.

Da auch beim Lufthana-Konkurrenten IAG (British Airways, Iberia, Aer Lingus) und Air France-KLM die Flugkapazitäten weiter beschränkt sind, dürften die Preise zumindest auf den Mittel- und Langstrecken weiter hoch bleiben – und die Konzerngewinne weiter sprudeln. Ähnliches passierte 2022 in der Autoindustrie: Der Umsatz der 16 weltgrößten stieg „um 18 Prozent auf 1,87 Billionen Euro, der operative Gewinn kletterte um 16 Prozent auf knapp 157 Milliarden Euro“, wie das Beratungsunternehmen Ernst & Young im März vorrechnete. Dennoch verlor die Lufthansa-Aktie vorige Woche 5,5 Prozent an Wert. Warum? Die Investoren blicken in die Zukunft: Die Konkurrenz dürfte mittelfristig wieder zunehmen. Höhere Tarifabschlüsse, steigende Treibstoffkosten und neue Flugzeuge gehen ins Geld. Und auch die Geopolitik ist ein unabsehbarer Kostenfaktor. Deglobalisierung, Protektionismus und Sanktionen sind immer schlecht fürs Geschäft.

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