Es ist schon über 20 Jahre her, da beschäftigte ein vermeintlicher Drogenskandal im Bundestag tagelang die Öffentlichkeit. Auf Initiative eines Fernsehsenders waren in Toilettenräumen des Reichstags Proben genommen und darin Spuren von Kokain entdeckt worden. Die Aufregung war groß, zumal der Eindruck erweckt wurde, Abgeordnete nähmen vor dem Gang in den Plenarsaal in den Toilettenräumen schnell noch etwas Rauschgift zu sich. Die Ermittlungen ergaben jedoch nichts, und schon früh hatte damals ein Sprecher der Bundestagsverwaltung den Verdacht geäußert, die hohe Zahl der angeblich entdeckten Kokainspuren sei „nicht nur unglaublich, sondern auch ein bißchen unglaubwürdig“. Vermutlich hatte man mit den Putzlappen die Kokainspuren von Toilette zu Toilette weiterverbreitet.
Ein Drogenproblem gibt es allerdings im Bundestag tatsächlich. Regelmäßig werden bei den Eingangskontrollen, die mit denen an Flughäfen vergleichbar sind, Besucher mit Drogen erwischt. Die Statistik der Bundestagspolizei nennt für das vergangene Jahr 40 Verstöße gegen das Cannabis-Verbot. In die Fänge der Justiz geriet, wer mehr als die zum Eigenbedarf erlaubte Menge bei sich trug. In solchen Fällen gibt es dann eine Anzeige durch die Bundestagspolizei, das Haschisch oder Marihuana wird konfisziert. Daß sich die Zahl der Drogendelikte im Bundestag gegenüber dem Vorjahr verzehnfacht hat, ist eine Folge der Corona-Pandemie. 2021 waren Besuche im Bundestag kaum möglich.
Da die Mitarbeiter der Politiker und der Parlamentsverwaltung sowie die Abgeordneten selbst beim Betreten der Bundestagsgebäude nicht kontrolliert werden, dürfte die Drogen-Dunkelziffer höher sein. Insgesamt zählte die Bundestagspolizei 2022 deutlich mehr Straftaten als im Jahr zuvor. Erfaßt wurden insgesamt 338 Fälle, 2021 waren es weniger als die Hälfte. 215 Tatverdächtige konnten ermittelt werden (2021: 44).
Allerdings sind Drogen bei weitem nicht der größte Deliktsbereich. Bei den meisten Gesetzesverstößen im Hohen Haus handelt es sich um Verstöße gegen das Waffengesetz. In 146 Fällen (2021: 12) stellte die Bundestagspolizei Gegenstände wie Schlagringe oder verbotene Messer bei Besuchern fest. Dazu gehören solche mit einer Klingenlänge von mehr als 8,5 Zentimetern, Einhand- oder Fallmesser oder solche, die in einem harmlos wirkenden Gegenstand, etwa in einem Gehstock verborgen sind.
Verbreitet im Bundestag sind zudem Eigentumsdelikte. In 53 Fällen gab es hier Anzeigen bei der Bundestagspolizei (2021: 15). Besucher kommen hierfür weniger in Betracht, sondern die meisten Diebstähle dürften von Beschäftigten begangen worden sein. Daher wird von der Verwaltung auch der Rat gegeben, die Büros beim Verlassen immer abzuschließen. In 23 Fällen wurden Beleidigungen ohne sexuelle Grundlage angezeigt, und in einem Fall gab es eine Anzeige wegen einer Mail mit Beleidigungen samt sexuellem Inhalt.