Kein Eklat in aller Öffentlichkeit, kein Abbruch, keine Demontage der Führungsfiguren. Der AfD-Parteitag in Magdeburg endete so, wie er mehr als eine Woche zuvor begonnen hatte: unaufgeregt (JF 32/23). Das ist, blickt man auf vergleichbare Veranstaltungen in früheren Jahren, immer noch bemerkenswert. Doch das ebenso abgenutzte wie lange Zeit gültige Bonmot vom „gärigen Haufen“ paßt langsam nicht mehr. „Wir sind jetzt untergärig“, meinte ein AfD-Politiker augenzwinkernd am Rande des Parteitags.
Sechs lange Verhandlungstage von morgens bis teilweise in die Nacht hinein, verteilt auf zwei Wochenenden liegen hinter den mehr als 500 Delegierten, die sich in den Magdeburger Messehallen zur Wahl einer Kandidatenliste und zum Beschluß eines Programms für die Europawahl im Juni nächsten Jahres versammelt hatten. Die Zeit war knapp, denn für die Aufstellung der Liste standen nur diese beiden Wochenenden zur Verfügung. Am Ende schaffte man es – zeitweise wider Erwarten – dann doch, 35 Kandidaten zu küren. Legt man die derzeit hohen Umfragewerte zugrunde, könnte die AfD eine etwa 20köpfige Delegation nach Brüssel und Straßburg entsenden. Mögliche Nachrücker eingerechnet dürfte das personelle Polster also reichen.
Wer sich unter den Teilnehmern umhörte, traf auf überwiegend zufriedene AfD-Delegierte. Die meisten scheinen mit der Auswahl derer, die es auf einen aussichtsreichen Platz geschafft haben, alles in allem einverstanden zu sein. Das gilt nicht für einige, deren Hoffnung auf ein lukratives Mandat sich bereits an der Elbe zerschlagen hatte. In parteiinternen Chatgruppen wurden dann „schmutzige Deals“ oder das „Zerschießen“ vermeintlich aussichtsreicher Kandidaten beklagt – oder schlicht gejammert, man sei von dem einen oder anderen einflußreichen Parteifreund „verarscht“ worden. Den Versuch einer Handvoll Delegierter, am vergangenen Freitag vor dem Hintergrund eines Machtkampfs im Landesverband Brandenburg mittels Geschäftsordnungsantrag die Wahl der Kandidatin Mary Khan wieder rückgängig zu machen, erstickte ein Machtwort von Parteichefin Alice Weidel bereits im Keim.
Mitgliedsstaaten sollen autonom Verträge schließen
Am Sonntag bugsierte man sogar noch die letzte Kuh vom Eis. Zum einen konnte die AfD tatsächlich auch das Wahlprogramm beschließen, das man entgegen der ursprünglichen Tagesordnung nach hinten verschoben hatte. Die Befürchtung, einen weiteren – Kosten verursachenden – Parteitag im Winter abhalten zu müssen, erwies sich als unberechtigt. Und dann war da noch die Sache mit der Präambel, mit der Frage, eine „Zerschlagung“ der EU oder den „Dexit“ zu fordern.
Um den Preis einiger Zugeständnisse in Sachen Kritik am „außereuropäischen Hegemon“ setzten sich nach nächtlichen Verhandlungen die Pragmatiker gegen die Gruppe der stärker ideologisch ausgerichteten Vertreter durch. Nun spricht sich die AfD für eine Neugründung der Europäischen Union als „Bund europäischer Nationen“ aus; von einer „geordneten Auflösung“ der EU oder einem Austritts Deutschland, wie beim Parteitag 2021 in Dresden gefordert, ist hingegen nicht die Rede. Der angestrebte Bund solle sich dem gemeinsamen Handel, dem Schutz der Außengrenzen gegen Zuwanderung und der Wahrung verschiedener Identitäten widmen. „Auf diesen Grundpfeilern ruhend können die Mitgliedstaaten autonom und flexibel funktionale bi- oder multilaterale Verträge nach ihren Bedürfnissen schließen.“