Was haben kurdische Trans-Influencer, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und das Bundeszentralamt für Steuern gemeinsam? Sie alle haben Internet-Auftritte, die in irgendeiner Weise vom Steuerzahler finanziert oder zumindest großzügig gesponsert werden. Seit 2021 hat die Bundesregierung eine halbe Milliarde Euro für Anzeigen und Eigenwerbung ausgegeben. Doch wieviel Geld gibt sie eigentlich für ihre vielen Auftritte in den sozialen Netzwerken aus?
Wie aus der jüngst veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion hervorgeht, zahlten Kabinett, Ministerien und deren unterstellte Behörden von 2020 bis 2022 mehr als 29 Millionen Euro für das Aufhübschen ihrer Präsenz bei Facebook, Instagram und Co. Sie beauftragen zahlreiche private PR- und Werbeagenturen, die die digitalen Auftritte ihrer staatlichen Kunden organisieren und betreuen.
Insgesamt finanziert der Steuerzahler 543 Social-Media-Konten – untergeordnete Bundesbehörden, wie etwa das Technische Hilfswerk, sind darin nicht inbegriffen. Allein das Bundesinnenministerium unter der Leitung von Nancy Faeser (SPD) betreibt mindestens 161 Websites und Konten auf Plattformen wie Youtube, Instagram, Twitter und anderen. Mit 14,6 Millionen Euro ist das Innenministerium der größte Ausgabentreiber, gefolgt vom Gesundheitsministerium mit 11,1 Millionen Euro. Doch wer jetzt nur an offizielle Behörden- und Regierungsseiten denkt, liegt falsch.
So wird etwa der Instagram-Account „Say my Name“ (deutsch: „Sag meinen Namen“), eine Kampagne der Bundeszentrale für politische Bildung, mit Steuergeld finanziert. Er klärt mehr als 55.000 Menschen über „Repräsentation, Empowerment und politische Bildung“ auf. Die Trans-Influencerin „kurdischekween“ spricht dort in einem Kurzvideo von ihren Erfahrungen als Transgender-Muslima. „Mein Glaube wird mir sehr oft abgesprochen.“ Sie werde als Teufel bezeichnet. „Wenn Menschen erfahren, daß ich queer und muslimisch bin, sind verschiedene Reaktionen da.“ Neben den positiven Reaktionen bekomme sie täglich „unglaublich viele Morddrohungen und Beleidigungen“. Von welcher Gruppe diese Beleidigungen und Drohungen ausgehen, wird nicht erwähnt.
Die Grafiken und Kurzvideos tragen Titel wie „Antimuslimischer Rassismus im Alltag“, „Trans ist kein Trend“ und „White Passing“. Letzteres beschreibt der Kanal, dessen Förderer dem Innenministerium untersteht, wie folgt: „White Passing tritt auf, wenn eine nichtweiße Person von anderen Menschen weiß gelesen wird. Personen, die in manchen Situationen als weiß wahrgenommen werden und dadurch Vorteile haben, können in anderen Kontexten trotzdem von Diskriminierung betroffen sein (z.B. aufgrund ihres Nachnamens oder ihres Akzents).“
„Kaum noch zu kontollierender Wildwuchs“
Doch auch ohne Umwege sind einige Ministerien direkt im Internet aktiv. Wie kommt das Ganze bei den Bürgern an? Auf den ersten Blick sehen die Zahlen für die Regierung gut aus. So konnte beispielsweise das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) seine Reichweite auf Twitter deutlich erhöhen. Waren es 2020 etwas mehr als 43.000 Follower, steht die Behörde von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) inzwischen bei knapp 60.000. Doch die Interaktionen sind quasi nicht existent. In einem 55 Sekunden langen Kurzvideo erklärt das Ministerium seine neue Digitalstrategie. Selbsterklärtes Ziel ist es, die Digitalisierung Deutschlands klimagerecht und inklusiv für Minderheiten zu gestalten. Das erreichte ein paar hundert Leute, kaum Nutzer haben auf „Gefällt mir“ geklickt. Der erste Kommentar: „Wir sind als Land so am Ende.“ Die vielsagende Antwort des BMDV: „Was hat deine Aussage mit diesem Beitrag zu tun?“
Oftmals liegen Welten zwischen den eigenen Wünschen und der Realität, wie das Beispiel des Twitter-Kontos des offiziellen Regierungssprechers zeigt. 2020 hatte der Account von Steffen Seibert noch 954.000 Follower. Seinem Nachfolger, Steffen Hebestreit, folgen weniger als 100.000 Bürger. Daß Geld allein keine Tore schießt, davon kann auch der Förderpreis „Helfende Hand“ des Innenministeriums ein Lied singen. Dort sollen mehr Menschen für ein Ehrenamt begeistert werden. Zwischen 2020 und 2022 hat der Aufbau der Digitalpräsenz mehr als 345.000 Euro gekostet. Auf Instagram folgen dem Account 977 Personen, obwohl dort fleißig gepostet wird. 335 Beiträge sind dort zu sehen, macht mehr als 1.000 Euro Steuergeld pro Posting und mehr als 350 Euro pro Follower.
Auch die Gewinnung von professionellem Personal ist teuer. So gab etwa das Bundeszentralamt für Steuern in den Jahren 2020 und 2021 für die Rekrutierungskampagne „Steuer dein Leben“ mehr als 1,4 Millionen Euro aus. Kritik daran kommt unter anderem von der AfD. Der medienpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Erwin Renner, sprach gegenüber der JUNGEN FREIHEIT von einem „Wildwuchs“, der „kaum noch zu überschauen“ und „parlamentarisch schwer zu kontrollieren“ sei. Er erhob zudem schwere Vorwürfe: „Ob es sich bei den vermittelten Inhalten in der Tat ausschließlich um verfassungsmäßige und damit legitime Informationen handelt oder ob hier oder da die Grenze zu illegitimer Manipulation überschritten wird, ist angesichts der genannten Intransparenz und der Vielzahl an Kanälen schwer zu überprüfen. Die Bundesregierung betritt hier offenbar bewußt und in einschlägiger Absicht eine rechtliche und politische Grauzone – und lotet deren Grenzen aus.“
Empört über die hohen Werbeausgaben ist auch der Bund der Steuerzahler. In der neuesten Ausgabe seines Magazins DSi Kompakt wird mehr Transparenz gefordert. „Wenn etwa ein bekannter Web-Videoproduzent in einem Erklärfilm des Bundesfinanzministeriums von Steuergerechtigkeit spricht, erzeugt das affektiv eine bestimmte Überzeugung bei der entsprechenden Zielgruppe.“ Hier verschwimme zumindest normativ die Grenze von legitimer Information und illegitimer, unterschwelliger Beeinflussung des freien Willensbildungsprozesses.
Ministerin Faeser: Die meisten Ausgaben für Präsenz in den Sozialen Medien