© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/23 / 04. August 2023

CD-Kritik: Richard Wagner, Hans Knappertsbusch
Parsifal 1955
Jens Knorr

Der Neu-Bayreuther „Parsifal“ war von 1951 bis 1964, das Jahr 1952 ausgenommen, die Domäne des Dirigenten Hans Knappertsbusch. Nicht weniger als fünf Aufführungsmitschnitte aus verschiedenen Festspiel-Jahren waren bisher auf dem Markt, mit dem Mitschnitt aus dem Jahr 1955 sind es sechs.

Knappertsbuschs „Parsifal“ wurde oftmals als Hochamt verkannt. Doch durch „Knas“ unbeirrt getragene Tempi erst kann das unerhörte Wagnis des Neutöners Richard Wagner gehört werden, „der großartige Zersetzungsprozeß der musikalischen Sprache, die (…) sich in unverbundene Ausdrucksmomente dissoziiert“ (Adorno). Seinen Intentionen folgen die Sänger je nach Vermögen und Verständnis: der chilenische Tenor Ramón Vinay in seiner kurzen intensiven Tenorkarriere als Parsifal, Hermann Uhde das einzige Mal als Titurel, Ludwig Weber als Gurnemanz und Gustav Neidlinger als Klingsor mit falscher Stimme, ohne daß die Stimme falsch ist.

Während Dietrich Fischer-Dieskau mit seiner ins Sängerische übersetzten Stummfilmmanier über des Gralskönigs Amfortas Leiden aufdringlich zu belehren sucht, gestaltet Martha Mödl eindringlich das Allwissen um ihre Bühnenfigur. Will man der Mödl gerecht werden, muß man ihre Bühnenpräsenz und Rollenintensität beim Hören immer mitdenken. Allein schon ihr sehrender „Parsifal“-Ruf im zweiten Aufzug lohnt die ganze Aufnahme. Daß die mahnende Altstimme aus der Höhe am Schluß des ersten Aufzugs die Stimme der Mödl ist, Kundrys Stimme, das ist von genialem Hintersinn.

Richard Wagner Parsifal Profil Edition Günter Hänssler 2023

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