Der demokratische Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, schließt sich den Kulturkämpfen um Schulbücher vom Kindergarten bis zur zwölfte Klasse an und spiegelt damit ein landesweites Phänomen wider. Eine Schulbehörde in Südkalifornien lehnte kürzlich ein sozialwissenschaftliches Lehrbuch ab, in dem es um die Rechte von Homosexuellen ging und das eine ergänzende Ressourcenliste enthielt, die sich auf Harvey Milk bezog, einen offen schwulen Politiker und Ikone und Märtyrer von San Francisco, der 1978 ermordet wurde.
Newsom verhängte eine Geldstrafe in der Höhe von 1,5 Millionen Dollar für die Schule. Mitte Juli lenkte der Vorstand ein, wobei er nicht nachgab, sondern vielmehr den Wunsch äußerte, einen langen und teuren Rechtsstreit zu vermeiden. Newsom kommentierte: „Hier ging es nie um die Rechte der Eltern – es geht nicht einmal um Harvey Milk – der in den Lehrbüchern, die die Schüler erhalten, nirgends vorkommt.“ Hier geht es um den Wunsch der Extremisten, Informationen zu kontrollieren und die Materialien zu zensieren, die zum Unterrichten unserer Kinder verwendet werden.“
Bis vor kurzem existierte die Bildungsverlagsbranche in einer ruhigen Ecke des Buchhandels und lieferte standardisierte, meist langweilige Lehrbücher zu allen Themen des Schullehrplans. Nicht mehr. In konservativen Bundesstaaten wie Texas, Florida, Arkansas, North Dakota und Tennessee und anderswo haben Politiker Gesetze erlassen, die Schulbücher verbieten, die gegen die dortige Beschränkung von Inhalten über Rasse, Geschlecht und Gender verstoßen.
Die Buchkulturkriege haben sich auch auf Schul- und Gemeinschaftsbibliotheken ausgeweitet. In Texas verbot der republikanische Gouverneur Greg Abbott im Juni dieses Jahres die Platzierung aller Bücher mit „sexuell eindeutigen Titeln“ in Schulbibliotheken. Infolgedessen ist die Zahl der entfernten Bücher, die Material über LGBTQIA+ und Rassismus enthalten, um 28 Prozent gestiegen. Abbott erklärte, daß das Gesetz die Rechte der Eltern schütze. Gemeinschaftsbibliotheken sind nun verpflichtet, Rückmeldungen der Öffentlichkeit zum Inhalt der Bibliotheksbestände einzuholen.
Im Jahr 2022 lehnte der Florida Commissioner of Education insgesamt 41 Prozent der Titel auf einer Liste von Lehrbüchern ab, darunter einige Mathematikbücher, die Verweise auf Critical Race Theory und Social Emotional Learning (SEL) enthielten, eine Praxis, die die Bedeutung von Sozialem und emotionale Fähigkeiten beim Lernen betont. Gouverneur Ron DeSantis kommentierte später: „Es scheint, daß einige Verleger versucht haben, einem alten Haus, das auf dem Fundament von Common Core gebaut wurde, einen Anstrich zu verpassen und Konzepte wie Rassenessenzialismus zu indoktrinieren, bizarrerweise insbesondere Grundschülern.“
Vor allem Geschichtsbücher geraten in die Schußlinie. Minderheitengruppen und Frauen, die früher am Rande der Erzählung über die amerikanische Vergangenheit zu finden waren, rücken nun ins Zentrum.
Schüler lernen in Florida etwas anderes als in Kalifornien
Konservative Kritiker behaupten, daß das „weiße Privileg“, die Klassen- und Rassenungleichheit und die Erbsünde der Sklaverei auf Kosten patriotischer Themen des amerikanischen Exzeptionalismus zu stark betont würden. Einige Konservative argumentieren, daß selbst die dunkleren Perioden der amerikanischen Geschichte in einem positiveren Licht dargestellt werden sollten. So enthält beispielsweise das Lehrbuch für Sozialkunde in Florida aus dem Jahr 2023 über die Geschichte der schwarzen Amerikaner einen kleinen Abschnitt, in dem handwerkliche Fähigkeiten aufgelistet werden, die die schwarzen Sklaven erlernt haben und die sie in einigen Fällen zu ihrem persönlichen Vorteil nutzen konnten.
Vizepräsidentin Kamala Harris machte politische Punkte, während sie gleichzeitig die Politisierung des Themas anprangerte, indem sie behauptete, daß Beamte des Staates Florida „diese unnötigen Debatten verursachen“. „Es ist unnötig, darüber zu diskutieren, ob versklavte Menschen von der Sklaverei profitiert haben. Wollen Sie mich verarschen? Sollen wir das debattieren?“ Harris hat die umstrittenen Worte eindeutig aus dem Zusammenhang gerissen, denn der 216 Seiten starke Lehrplan geht in vielen anderen Abschnitten ausführlich auf die Schrecken der Sklaverei ein.
Das derzeitige extrem polarisierte politische Klima in den Vereinigten Staaten mußte irgendwann auch die Schulen in den Strudel reißen. Einige Verlage haben aus Angst vor Klagen beschlossen, keine Bücher mehr in Staaten wie Texas zu verkaufen. Konservative Bundesstaaten kämpfen in diesen Fragen auf nationaler Ebene gegen liberale Bundesstaaten.
Nach der Entscheidung von Texas, eine große Zahl von Sozialkundebüchern abzulehnen, schickte Gouverneur Newsom, dem nachgesagt wird, er wolle 2028 für die Präsidentschaft kandidieren, einen Brief an die Behörden von Florida und verlangte Auskunft darüber, „ob die Unternehmen, die die kalifornischen Schulbücher entwerfen, dieselben sind, die einen Kotau vor Floridas „extremistischer Agenda“ machen. „Diese Art von politischem Blitzkrieg deutet darauf hin, daß das öffentliche Bildungswesen in nicht allzu ferner Zukunft durch eine neue Form der Segregation getrennt sein wird, da Schüler in liberalen Staaten eine ganz andere Art von Bildung erhalten werden als ihre Altersgenossen in Staaten, die von Konservativen verwaltet werden.“