© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/23 / 04. August 2023

„So, und was jetzt?“
Spanien nach der Wahl: Das rechte und das linke Lager wähnen sich als Sieger / Nun ist König Felipe VI. am Zug
Felix Hagen

Spanier fragen sich, wenn sie nicht sicher sind: „Y ahora qué? – Ja, so, und was jetzt?“ Die Lage in Madrid ist seit der Auszählung der Stimmen der Auslandsspanier am Samstag nicht übersichtlicher geworden. Ein ordentlicher Zuwachs von 233.688 Stimmen der mehrheitlich an das konservative Lager ging, sorgt nun für einen zusätzlichen Sitz an die konservative Partido Popular (PP) zu Lasten der Sozialdemokraten von Noch-Premier Pedro Sánchez. Der rechte Block im spanischen Parlament würde dadurch auf 171 Sitze – bestehend aus 137 Abgeordneten der PP, 33 Sitzen der rechten Vox und einem einzelnen Abgeordneten einer Regionalpartei aus Navarra – anwachsen und wäre damit genauso groß wie der linke Block aus Sozialdemokraten (PSOE), linker Sammlungsbewegung Sumar und diversen separatistischen Kleinparteien. 

Eine Regierungsbildung dürfte damit nicht leichter werden, selbst mit einem Kurswechsel der Koalition der Kanaren – einer weiteren, eher konservativen Regionalpartei – hin zum rechten Block würde dem Spitzenkandidat der PP, Alberto Feijóo, die nötige Regierungsmehrheit fehlen. Für Amtsinhaber Sánchez ist der ohnehin steinige Weg zu einer Regierungsbildung noch schwieriger geworden. Er müßte nun linke Separatisten zum Eintritt in seine Koalition bewegen und gleichzeitig die eher bürgerlich geprägte, aber ebenfalls aggressiv separatistische Partei Junts aus Katalonien dazu bewegen, sich zu enthalten. 

Ein Kurs zwischen Skylla und Charybdis, denn jedes Zugeständnis an Junts trägt in sich die Gefahr einer erneuten Eskalation des Separatismus in Katalonien. Die Partei des wegen Landesverrat gesuchten Carles Puigdemont hatte bereits im Vorfeld angekündigt, sich nur für den Preis eines von spanischer Seite anerkannten, neuen Referendums in der Provinz bewegen zu wollen. Sánchez würde damit aber, so die Lesart vieler Spanier, die staatliche Einheit auf dem Altar des Machterhalts opfern. 

Doch es gibt eine Entwicklung, die sich für Sánchez und seine Parteifreunde positiv auswirken könnte. Mit Ausnahme der baskischen Separatisten, die sich über leichte Zugewinne freuen konnten, haben alle anderen separatistischen Parteien teils herbe Einbußen hinnehmen müssen. 

Einige Analysten sprechen bereits vom „Herbst des Spanischen Separatismus“, das Thema habe sich „erschöpft“. Tatsächlich fürchten auch die Parteichefs der separatistischen Parteien deutliche Stimmeneinbußen, sollte es aufgrund ihrer Bedingungen zu Neuwahlen im Dezember kommen. Auch deswegen dürfte es zu Gesprächen zwischen linken und bürgerlichen Separatisten in Barcelona gekommen sein. Raquel Sans, die Sprecherin der Republikanischen Linken von Katalonien (ERC) sprach von „strategischer Zusammenarbeit“ mit Junts, um eine Neuwahl zu vermeiden. 

Sowohl Feijoo als auch Sánchez dürften in diesen Tagen vor allem die Zeitfrage umtreiben. Am 17. August öffnen beide Kammern des spanischen Parlaments wieder ihre Türen. Die spanische Verfassung sieht vor, daß König Felipe VI. den aussichtsreicheren Kandidaten der beiden großen Parteien zur Wahl vorschlägt. Dabei richtet sich das Königshaus nach den Aussagen der im Parlament vertretenen Parteien. 

Gerade bei der konservativen PP droht ein künftiger Machtkampf 

Sollte eine nach Sitzen ausreichende Mehrheit der Parteichefs Sánchez oder Feijóo vorschlagen und diese anschließend die Abstimmung verlieren, beginnt ein zweimonatiger Countdown, an dessen Ende der König das spanische  Parlament auflösen und Neuwahlen verkünden müßte. Besonders für Herausforderer Feijóo ist diese Aussicht bitter. Seine Anhänger hatten mit einer rechten Machtübernahme fest gerechnet, durch das vergleichsweise schwache Abschneiden der Vox ist diese nun außer Reichweite gerückt. Davon profitiert PP intern, vor allem Isabel Díaz Ayuso, die vergleichsweise junge Chefin der Autonomen Region Madrid, hat bereits mit der Vox eine relativ ereignisreiche Legislatur hinter sich gebracht und gilt als rechtskonservativ. 

Seit langem sägt Ayuso am Stuhl des eher gemäßigt auftretenden Feijóo. Sollte es zu Neuwahlen kommen, dürfte sie die Palastrevolte gegen den jetzigen Parteichef anführen. Die Hoffnung ihrer Anhänger: Mit Ayuso könnte die PP ihren Vorsprung auf die PSOE ausweiten. Für Sorgenfalten dürfte das auch bei der Vox sorgen, Ayuso gilt als scharfe Rhetorikerin, die sich gern als spanische Giorgia Meloni präsentiert. Dagegen Wahlkampf zu machen dürfte für Santiago Abascal und seine Vox-Truppe deutlich schwieriger werden als bis dato erhofft.