Die meisten Touristen, die durch London streifen, kommen auch zum Piccadilly Circus und laufen dann ins Vergnügungsviertel Soho. Riesige Leuchtreklametafeln, Dutzende Theater und Kinos, Bars, Pubs, China-Restaurants und Geschäfte findet man um den legendären Platz im Londoner West End mit der kleinen Hermes-Skulptur in der Mitte. Nun wird bald etwas Neues, eher ein Fremdkörper dort eingerichtet: eine Moschee. Der Milliardär Asif Aziz übernimmt das Trocadero, einen leerstehenden Unterhaltungspalast vom späten 19. Jahrhundert mit mehreren Theatern, und will dort ein islamisches Zeichen setzen.
Vor kurzem gab der Westminster-Magistrat ihm die Genehmigung, im Trocadero einen dreistöckigen Moschee-Raum für knapp 400 Beter zu bauen. Aziz wollte eigentlich sogar einen Gebetsraum für tausend Leute bauen. Als er vor drei Jahren den Antrag stellte, erreichten den Westminster Council bis zu 5.000 Beschwerden und Einwände – vergeblich. Nun ist der in Malawi geborene Londoner Immobilientycoon seinem Ziel nähergekommen. Von einer Islamisierung zu sprechen, wäre natürlich verfehlt in einer Gegend, die von islamischen Moralvorstellungen weit entfernt ist. Doch Aziz’ Stiftung will dem offenbar etwas entgegenhalten. Laut Eigenwerbung will sie „der muslimischen Gemeinschaft, die im West Ende lebt und arbeitet, dienen“.
Dort trafen sich auch die drei Mädchen, die sich später als berüchtigte „Dschihad-
Bräute“ dem IS anschlossen.
London hat einen muslimischen Labour-Bürgermeister Sadiq Khan und ist in Teilen in nicht geringem Maße muslimisch geprägt, vor allem das East End. 40 Prozent der Einwohner im einstigen Arbeiterviertel Tower Hamlets sind Muslime, viele mit bangladeschischen Wurzeln. Sie haben in der Brick Lane in Whitechapel die ehemalige calvinistische Kirche, erbaut 1743 von hugenottischen Immigranten, die im 19. Jahrhundert nach einer jüdischen Zuwanderungswelle eine Synagoge wurde, zur Moschee umgewandelt. Diese gilt als relativ liberal und moderat.
Eine ganz andere Nummer ist dagegen die große East London Mosque samt Islamic Cultural Centre: eine Mega-Moschee, für 7.000 Gläubige ausgelegt, mit strenger Geschlechtertrennung. Dort trafen sich auch die drei Mädchen (darunter Shamina Begum), die später als berüchtigte „Dschihad-Bräute“ nach Syrien zogen und sich dem IS anschlossen. Begum kämpft bis heute vor Gericht um ihre britische Staatsbürgerschaft.
Nicht weit von der Großmoschee entfernt, etwas versteckt, liegt die kleine Kirche der deutschen Gemeinde St. Bonifaz, ein Betonbau aus den 1950ern. Im 19. Jahrhundert lebten in der Gegend einige tausend deutsche Immigranten, heute sind es fast nur noch Bangladeschis im East End. London, der große Einwanderermagnet, wandelt sich – schon immer.